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Tagebuch Doc12
2010-07-29 08:00
Der weinende Clown - 9

Bruno rieb sich die Augen. Er war fassungslos. Sollte der Anrufer wirklich Gott gewesen sein und doch kein Witzbold oder Irrsinniger? Nur eine überirdische Macht war in der Lage, eine ausgewachsene Kuh – noch dazu trächtig – auf diese spektakuläre Weise verschwinden zu lassen! Kein Mensch auf dieser Welt hätte das jemals auf diese Art bewerkstelligen können! Er griff sich an den Kopf. Ein tiefes, erhabenes Gefühl machte sich augenblicklich in ihm breit, einhergehend mit einem Anflug von Demut. Er hatte eine Direktverbindung zu Gott! Unglaublich! Konnte ihn einfach anrufen, wann immer er wollte – nun ja, bis auf Sonntag natürlich. Er, Bruno Steiger, war auserkoren, direkt mit ihm, dem Allerhöchsten, zu sprechen!

Die Frage war nur: Weshalb gerade er? Noch dazu, wo er schon längst aus der Kirche ausgetreten war! An ihm war schließlich nichts Besonderes, er fühlte sich als normaler Mensch wie die meisten anderen auch – bis auf den Umstand, dass es ihm vor etlichen Jahren gelungen war, ein paar humoristische Bücher zu schreiben, die zufällig in der Bestsellerliste gelandet waren. Er war nie besonders stolz darauf gewesen – hatte er es doch eher nur seinem Glück als seinem schriftstellerischen Können zugeschrieben.
Schwankend stand Bruno von seinem Stuhl auf, ihm schwirrte der Kopf. Eine Menge Fragen tauchten plötzlich auf: Wenn er, der kleine Bruno Steiger, dazu ausersehen war, mit Gott persönlich zu sprechen, obwohl er keine Religionszugehörigkeit hatte, war es dann nicht so, dass Gott selbst vielleicht gar nicht religiös war? Zumindest nicht im üblich verstandenen Sinn? Welchen Zweck hatten dann die ganzen Religionen? Er nahm sich vor, bei nächster Gelegenheit diesbezüglich bei Gott nachzufragen, wollte sich bis dahin aber noch einige andere Fragen zurechtlegen, denn er war sich nicht sicher, wie lange der direkte Kontakt zu ihm bestehen würde ...

Dennoch fühlte sich Bruno nutzlos. Lag es daran, dass er, wenn er sich selbst gegenüber ehrlich war, die Tage vertrödelte? Lag es daran, dass er seine Talente nicht nutzte? Lag es daran, dass er mutlos geworden war, sich von der Welt nicht verstanden fühlte? Sicher war: Durch das Gefühl des Nichtgebrauchtwerdens und den daraus resultierenden permanenten Mangelerscheinungen in seinem Geldbeutel war ihm der Humor vergangen – wie also sollte er humoristische Zeilen aufs Papier bringen? Leute damit zum Lachen reizen? Schlichtweg unmöglich! Zumindest hatte er sich das jahrelang eingeredet – war er doch über Jahre hinweg eine Mimose gewesen, mit Zukunftsängsten, Trübsal blasend, voll von Selbstmitleid, sich mit Sorgen zerfleischend, der Welt überdrüssig geworden und sich vor ihr wie ein scheues Reh verbergend ...

Kommentare


unbekannt
10:23 29.07.2010
der arme bruno...

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2010-07-29 08:00