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Tagebuch Doc12
2010-10-06 07:19
Der weinende Clown - 76
Sarah saß auf der Couch und hielt sich den Bauch vor Lachen.
„Wo hast du denn diese Geschichte ausgegraben?“, fragte sie.
„Die habe ich eben erfunden. Ich weiß, das Ende war etwas unglücklich.“ Er grinste.
„Karsten wird es überleben – aber mich hätte es beinahe zerrissen! Ich habe mich fast tot gelacht. So ein Quatsch! Aber zumindest hast du die Feuertaufe bestanden.“
Er setzte sich neben Sarah auf die Couch und küsste sie.
„Ich habe mich heute schon so richtig schön geärgert“, sagte sie unvermittelt.
„Über mich?“
„Nein, nein. Nicht über dich – über einen Zeitungsartikel. Es ging um Jugendliche, die einen älteren Mann in der U-Bahn zusammengeschlagen haben. Diese
endlosen Diskussionen darüber sind einfach nur idiotisch. Als ob Diskussioinen etwas bringen würden!“
„Ich hab’s mitbekommen.“
„Und was denkst du darüber?“
„Wenn du meine ehrliche Meinung darüber hören willst: Wir sind an diesen jüngsten Erscheinungen alle mitschuldig. Man sollte die Sache von beiden Seiten betrachten.“
„Von beiden Seiten betrachten? Ich denke eher, solche Leute gehören weggesperrt.“
„Nein, da machst du es dir zu einfach, glaube ich. Denn sieh mal: Zunächst wären da einmal die Jugendlichen, die gewalttätig sind und auf der anderen Seite die Menschen, die davon betroffen sind. Wenn ein Jugendlicher keine Zukunftsperspektive hat, weil er beispielsweise keine Arbeit findet, driftet er leicht ins soziale Abseits, er ist frustriert, gelangweilt, vielleicht kommt noch schlechter Umgang hinzu, falsche Freunde und deren Einfluss und dann gerät er in kriminelles Fahrwasser, das sich schlimmstenfalls – so wie es passiert ist – in Gewalt äußert. Auf der anderen Seite aber ist auch die Gesellschaft schuld, denn diese Jugendlichen sind ihre Kinder, die sie hervorgebracht hat. Eine Volksweisheit sagt, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, richtig?“
„Stimmt.“
„Es ist eigenartig: Die meisten Leute kennen diese Volksweisheiten, doch niemand nimmt sie so richtig ernst. Ich will diese Jugendlichen nicht in Schutz nehmen – eine kriminelle Handlung ist eine kriminelle Handlung und bleibt es. Argumente wie Lebensfrust oder Langeweile sind keine Rechtfertigung für gewalttätige Übergriffe auf andere Menschen, ganz klar! Doch in unserer Gesellschaft ist Wegschauen die übliche Reaktion, es ist Mode geworden. Die Leute sehen weg, um einem Mitmenschen nicht helfen zu müssen – nach dem Motto: Wenn ich etwas nicht sehe, existiert es für mich nicht, ich bin absent. Oft ist es auch Feigheit vor dem Feind, wie es so schön heißt. Und solches Verhalten ist ebenso verurteilungswürdig wie der Straftäter selbst. Es gibt einen Paragraphen der ,unterlassenen Hilfeleistung’.
Aber nein, was tut man? Niemand hat’s gesehen, niemand kriegt den Hintern hoch, aber alle rufen sofort empört nach der Polizei und nach den Politikern, auf dass diese schleunigst etwas ändern sollen. Dann schreit man, der Staat müsse härter durchgreifen und vergisst dabei, dass wir alle der Staat sind. Und wieder einmal wird die Verantwortung abgeschoben.“

„Stimmt. Du hast eigentlich Recht“, bemerkte Sarah.
„Wenn die Täter dazu noch zufällig Ausländer sind, dann kommen sofort Parolen wie ,Ausländer raus’. Das ist Quatsch, denn wir haben die Leute schließlich ins Land geholt, als wir uns in der Vergangenheit zu gut dafür waren, die sogenannten ,niederen’ Arbeiten zu verrichten. Dass diese Leute eine andere Mentalität haben, in einem anderen Kulturkreis aufgewachsen sind, wusste man vorher – und man hätte auch wissen können, dass die Schwelle zur Gewalt möglicherweise niedriger ist, da die Leute heißblütiger sind, einen anderen Ehrenkodex haben und sehr oft eine ganz andere Lebensauffassung. Richtig heißen müsste es: Straffällige Ausländer raus – und das bitte schön aber auf Nimmerwiedersehen. Falls ich in einem fremden Land bin, muss ich mich anpassen, mich ordentlich benehmen und die dortigen Gepflogenheiten achten. Ich kann nicht in die Türkei oder nach Griechenland fahren und dort schreien: ,scheiß Türken’ oder ,scheiß Griechen’. Wenn ich mich aufgrund dessen dort nicht sonderlich beliebt mache, darf ich mich nicht wundern – auch nicht über die Konsequenzen.“
„Aber die schreien schon ,scheiß Deutsche’, nicht wahr? Und zwar ganz frei hier in Deutschland“, wandte Sarah ein.
„Glaubst du, dass diejenigen die Intelligentesten sind, welche die Menschheit hervorgebracht hat? Es sind in der Regel jene, die, wenn sie zufällig eine Fliege verschlucken, mehr Hirn im Magen haben als im Kopf. Ich kann solche Leute nicht ernst nehmen – im Gegenteil: Halte sie für stockdoof, denn oft leben sie ja sogar noch auf unsere Kosten, wenn sie arbeitslos sind, hab ich Recht? Und ein Hund beißt nie die Hand, die ihn füttert – wiederum eine Volksweisheit übrigens, die anscheinend vergessen worden ist. Aber man muss nicht unbedingt immer sofort nach den Ausländern schielen – wir selbst haben auch genügend schwarze Schafe im Land, glaub mir.

Maßgebend für die Gewaltbereitschaft eines Jugendlichen ist nicht die Herkunft, sondern das soziale Umfeld.“
„Man sollte diese jugendlichen Täter dennoch härter bestrafen“, entgegnete Sarah heftig.
„Und was bringt das? Man weiß es aus der Vergangenheit, man kennt es von anderen Ländern: Hat beispielsweise die Todesstrafe in Amerika eine abschreckende Wirkung? Werden dort keine Morde mehr begangen, gibt es dort keine Kriminalität mehr? Ergo: Strafen sind keine Abschreckung. Kriminalität gab es schon immer – seit Menschen denken können – und es wird sie immer geben, denn das Böse liegt – genau wie das Gute – im Menschen selbst begründet. Wir leben nun einmal in einer Welt der Polarität. Bestrafung ist genau genommen nicht das Thema, es sollte Vermeidung heißen. Es darf erst gar nicht zu solchen Ausschreitungen
kommen – und dies erreicht man aber sicher nicht mit Kuschelpädagogik, sondern man muss den Gewalttätern die Sinnlosigkeit ihres Tuns aufzeigen. Des weiteren sollte man den Jugendlichen ein Vorbild oder Ideale geben, ihnen Leistungen abverlangen, auf die sie stolz sein können und die das Selbstwertgefühl stärken, ihnen klar machen, dass man auch ohne Gewalt ein starker Typ sein kann. Ein intelligenter Mensch kommt im Lauf des Lebens selbst dahinter, anderen muss man es einbläuen und wieder andere begreifen es nie, weil die geistigen Voraussetzungen
schlichtweg nicht vorhanden sind. Man kann aus einem Löwenzahn keine Rose machen – ganz einfach.“

Kommentare

08:07 07.10.2010
Gute Frage.
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unbekannt
17:53 06.10.2010
Warum geht es nicht einfach mal mit der Geschichte weiter, statt bei jeder Gelegenheit oder eben auch Nichtgelegenheit irgendwelche gesellschaftsrelevanten Themen ein zu bauen? Das ist ja schlimmer als in der Lindenstraße

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2010-10-06 07:19