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Tagebuch Doc12
2010-09-25 09:15
Der weinende Clown - 65

"Mama, ich möchte eine Gitarre. Ich will Gitarre spielen lernen“, sagte Donatello eines Tages zu seiner Mutter.
„Du weißt doch, mein Sohn: Für so etwas haben wir kein Geld. Weder für eine Gitarre, noch für einen Lehrer. Wenn du ein Instrument richtig gut lernen willst, solltest du Unterricht nehmen – und das kostet eine Menge. Lern du erst mal etwas Vernünftiges und hab nicht solche Hirngespinste im Kopf. Wenn ich an deine schulischen Leistungen denke ... “
„Ach Mama – ich möchte mit ein paar Klassenkameraden eine Beatband gründen. Die andern haben alle ...“
„... vermutlich mehr Geld als wir“, ergänzte seine Mutter und fuhr fort: „Doni, mir tut es leid, aber das musst du verstehen. Es reicht gerade fürs Nötigste. Außerdem: Was soll das für eine Gitarre sein?“
„Eine elektrische.“
„Du bist verrückt, Junge! Wieso muss es denn gleich eine elektrische Gitarre sein? Die ist doch viel zu teuer! Für den Anfang ist eine normale spanische Gitarre völlig ausreichend, finde ich.“
„Aber Mama, das geht doch nicht! Nicht in einer Beatband. Da spielt man nur mit elektrischen Gitarren!“
„Nein Donatello! Wir können uns das nicht leisten.“
„Aber Mama ...“
„Ich habe nein gesagt und dabei bleibt es.“
Mit hängendem Kopf und schmollend verließ der junge Mann die Wohnung, lief enttäuscht die Straße hinunter und dachte nach. Wie sollte er das wohl den anderen Jungs beibringen? Die mütterliche Absage kam einer Schmach gleich – zumindest empfand er es so. Er war überzeugt, dass er ein hervorragender Musiker werden könnte, er war sich seines Talents sicher, hatte dazu eine gute, angenehme Stimme – sollte es jetzt lediglich an einer Gitarre scheitern? Zornig schwor er sich: Sollte er jemals zu einer Gitarre kommen – er würde sie spielen lernen, allein – und wie! Den anderen sollten die Augen übergehen! Und selbst, wenn er Tag und Nacht üben müsste – er würde es ganz sicher schaffen! Voller Zorn lief er weiter, seine Gedanken kreisten um seine zukünftige Musikerkarriere ...

Dabei hatte alles ganz zufällig begonnen.
Es war an einem Nachmittag im Herbst. Donatello saß über seinen Hausaufgaben. Nebenbei dudelte das Radiogerät. Plötzlich fuhr er wie von der Tarantel gestochen hoch, starrte auf das Gerät, dann hechtete er förmlich auf das Radio zu und drehte es lauter. Ein irrer Gitarrensound drang an sein Ohr – es war nur ein Instrumentalstück – doch nie zuvor im Leben hatte er so etwas gehört! Besonders beeindruckte ihn der Klang der Melodiegitarre, der glasklar, absolut sauber und einschmeichelnd aus dem Lautsprecher kam.
Donatello war hin und her gerissen. So schnell wie möglich machte er seine Hausaufgaben fertig, verließ die Wohnung, schwang sich auf sein Fahrrad und fuhr in Richtung Innenstadt – zum nächsten Schallplattenladen.

„Was kann ich für dich tun?“, fragte die Verkäuferin, ein junges, freundliches Mädchen.
„Ich habe eben ein Lied im Radio gehört – nur mit Gitarre. Haben Sie das?“
„Gitarrenstücke gibt es viele. Wie heißt es denn?“
„Keine Ahnung. Aber es waren elektrische Gitarren.“
Das Mädchen zog eine kleine Single-Platte aus dem Regal. „Meinst du die?“
Auf der Schallplattehülle waren vier junge Männer abgebildet, einer davon mit einer riesigen schwarzen Hornbrille á la Buddy Holly auf der Nase.
„Weiß ich nicht. Könnten Sie mir die mal anspielen, bitte?“
„Gerne.“
Sie nahm die Platte aus der Hülle, legte sie auf den Plattenspieler und setzte den Tonarm auf die Platte. Donatellos Augen leuchteten, als er sagte: „Die kaufe ich!“ Es war genau die Melodie, die er kurz zuvor im Radio gehört hatte. „Das Lied ist gerade in der Hitparade, es heißt ,Apache’. Die Band nennt sich ,The Shadows’ – ist aus England. Ein ganz neuer Sound. Der Titel auf der Rückseite, ,FBI’ – ist auch nicht übel“, sagte das Mädchen.
Er bezahlte die Platte, radelte so schnell es ihm möglich war, nach Hause und legte die Platte auf, ließ sie immer und immer wieder spielen – er konnte sich kaum satt hören.

Einen Tag später lief Donatello in Gedanken versunken an Pepe’s Obststand vorbei. „Donatello!“, rief Pepe. „Kennst du den alten Pepe nicht mehr oder was ist los?“
„Hallo Pepe! Entschuldige, ich hab dich völlig übersehen. Ich war mit meinen Gedanken gerade ganz woanders. Wie geht’s?“
„Danke. Und dir?“
„Passt.“
„Dann mach’s gut!“ Pepe hob grüßend die Hand. Donatello winkte zurück.
Gerade als er weitergehen wollte, kam ihm eine Idee. „Pepe, kann ich dich einen Augenblick sprechen?“
„Natürlich, mein Junge, was gibt’s?“
„Könntest du einen Mitarbeiter brauchen? Dreimal die Woche, nachmittags?“
„Eigenlicht nicht, wenn ich ehrlich bin. Aber warum fragst du?“
Donatello erzählte ihm alles, Pepe hörte aufmerksam zu, nickte zwischendurch verständnisvoll und meinte schließlich: „Gut, du kannst dir die Gitarre bei mir verdienen. Aber nur, wenn deine Mutter damit einverstanden ist.“
„Das krieg ich hin!“, erwiderte Donatello begeistert.
„Ich wünsche es dir. Gib mir Bescheid, ja?“
„Mach ich!“
Im Eilschritt lief er nach Hause. Als er die Wohnung betrat, stand seine Mutter am Herd und bereitete das Abendessen zu.
„Du Mama ...“ Seine Stimme klang schmeichelnd.
„Was ist?“
„Ich muss dich was fragen.“
Seine Mutter sah ihn von der Seite an und lächelte. „Wenn du mir auf diese Art kommst, dann willst du doch etwas, oder? Ich kenne dich fast besser als du dich selbst ... Also, was willst du?“
„Du weißt doch – die Gitarre ...“
„Nein, Doni, nein! Nun fang nicht schon wieder damit an! Ich habe kein Geld, dir eine Gitarre zu kaufen, das weißt du!“ Sie klang ärgerlich.
„Ja, Mama, ich weiß. Aber wie wäre es, wenn ich mir das Geld dafür selbst verdiene?“
Seine Mutter sah ihn einen Moment lang überrascht an. „Wie willst du dir denn soviel Geld verdienen? Und wo?“
„Ich habe mit Pepe gesprochen.“
„Mit Pepe? Dem Obsthändler?“
„Ja. Ich könnte dreimal in der Woche bei ihm arbeiten – nachmittags.“
„Und wann machst du deine Hausaufgaben und lernst für die Schule?“
„Das schaffe ich.“
„Das muss ich mir erst überlegen, Doni.“
„Mama – bitte!“, flehte Donatello.
„Frag mich morgen noch mal. Ich muss eine Nacht darüber schlafen. Und jetzt essen wir. Du kannst gleich mal den Tisch decken.“

Kommentare

09:35 25.09.2010
Echt?
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unbekannt
09:21 25.09.2010
Für sein Alter ist der Junge ganz schön reif.

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2010-09-25 09:15