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Tagebuch Doc12
2010-08-17 08:09
Der weinende Clown - 26

Er setzte sich vor den Monitor, legte seine Hände auf die Tastatur und fast automatisch begann er zu schreiben. Die Buchstaben erschienen wie aus dem Nichts heraus auf dem Bildschirm – tanzten in irrer Geschwindigkeit vor seinen Augen, formten sich blitzschnell zu Wörtern, dann zu Sätzen, füllten Seite um Seite ...

Es war wie ein Rausch –.

Der Clown ließ sich langsam am Rand der Manege nieder – dann begann er zu weinen. Er weinte. Klagend, leise schluchzend, so herzzerreißend, als würde ein Kind nach der Mutter weinen, Schutz suchend vor einer grausamen, unbarmherzigen, ihm unbekannten Welt. Das Publikum klatschte Beifall, johlte unerträglich laut, es schmerzte in seinen Ohren. Bedächtig stand er auf, zog umständlich ein viel zu großes Taschentuch aus der Hosentasche und tupfte sich damit tollpatschig die Tränen von den Wangen. Dann sah er unweit von sich in einer der ersten Reihen einen schon etwas älteren Mann im Publikum sitzen, dessen Gesicht kantig war und ernst, ohne die Spur einer sichtbaren Erheiterung. Ihre Blicke trafen sich etwas länger als üblich und instinktiv begriff Donatello, dass dieser Mann anders war als der Rest des Publikums, fühlte, wie sehr er, der Clown, litt. Für einen kurzen Augenblick waren sie Brüder im Geiste geworden, sie hatten sich in die Seele gesehen. Donatello hob die Hand, winkte dem Mann müde zu, senkte dann den Kopf, drehte sich langsam um und ging in Richtung Ausgang, um die Manege mit hängenden Schultern zu verlassen. Er erreichte den Ausgang nur mühsam und als der rot glitzernde Samtvorhang hinter im zufiel, war er froh, den Blicken des Publikums entzogen zu sein.

Ihm schwindelte. Taumelnd lief er auf die Tür seiner Garderobe zu, öffnete sie mit unsäglicher Mühe, betrat den Raum und wollte sich auf einen Stuhl setzen, doch er war zu kraftlos. Mit schmerzverzerrtem  Gesicht presste er die Hand auf die Brust, dann wurde es Nacht um ihn. Röchelnd brach er zusammen.

Minuten später fand ihn ein Tierpfleger, der die offene Tür der Garderobe bemerkt hatte, alarmierte einen Kollegen und gemeinsam trugen sie ihn in seinen Wohnwagen, legten ihn aufs Bett, lockerten seine Kleidung und verständigten einen Notarzt.
Donatello hatte das Gefühl, emporgehoben zu werden und sah unter sich seinen Körper liegen, geschminkt, in bunten Flicken, sah, wie ihm der Arzt die rote Pappnase vom Gesicht riss, die Sauerstoffmaske auf Mund und Nase drückte, versuchte, seinen Körper wiederzubeleben und hastig eine Spritze aufzog. „Tu es nicht, mir geht es gut!“, rief er dem Arzt verzweifelt zu, doch der schien ihn nicht zu hören. Mit einem wunderbaren Gefühl grenzenloser Freiheit schwebte Donatello weiter empor, sah über sich eine helle, strahlend weiße Lichtquelle. Dann plötzlich – völlig unerwartet – ließ ihn etwas durch einen langen, schwarzen Tunnel gleiten, ähnlich einer Röhre, an deren Ende sich dieses gleißende Licht befand, viel heller als die Sonne, und überrascht stelle er fest, dass es ihn dennoch nicht blendete. Seltsame Lichtwesen schienen sich um ihn herum zu versammeln. Eines davon näherte sich ihm ganz langsam, begrüßte ihn und forderte ihn auf, zurückzublicken auf sein Leben, es zu bewerten, während es im Zeitraffertempo an seinem geistigen Auge vorüberzog ...

Kommentare


unbekannt
21:22 17.08.2010
brunos buch gefällt mir.hoffentlich lässt herr sprenzinger ihn weiter schreiben

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2010-08-17 08:09