Willkommen auf Tagtt!
Friday, 19. April 2024
Tagebücher » Doc12 » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Doc12
2010-07-30 07:20
Der weinende Clown - 10

Er beschloss, Gott anzurufen, ihm die Fragen zu stellen, die ihm so brennend am Herzen lagen, er wollte einen Rat für seine momentane Situation einholen – und er wusste: Dies würde ein längeres Gespräch werden ...

Er nahm sein Handy und wählte hastig. Kurz darauf ertönte die vertraute Stimme und fragte: „Was liegt an, mein Sohn?“
„Äh – hallo Gott! Wie geht’s?”
„Danke der Nachfrage. So wie immer und ewig.“
„Ich hätte da ein paar dringende Fragen und bräuchte deinen Rat. Hast du gerade Zeit für mich?“, fragte Bruno mit leiser Stimme, fast verlegen. Nach der Sache mit der Kuh war ihm seine Großspurigkeit ziemlich abhanden gekommen.

„Ich habe immer Zeit für dich, mein Freund – nur nicht am Sonntag“, erwiderte die gütige Stimme.
„Es könnte aber länger dauern. Ich muss deine Zeit leider etwas in Anspruch nehmen, denn ich habe einige Fragen an dich, auf die ich schon immer eine Antwort wissen wollte. Wäre nett von dir, wenn ich sie von dir bekommen könnte.“
„Zeit ist ein rein irdischer Begriff, mein Sohn. Wie viele Millionen Jahre soll ich mich dir widmen?“ Die Stimme Gottes hatte nun plötzlich einen heiteren Klang.
„So lange muss es nicht sein“, antwortete Bruno und ein verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht.
„Dann schieß mal los“, forderte Gott ihn auf.
„Sag mal, Gott – bist du eigentlich religiös?“
„Steht diese Frage in irgendeinem Zusammenhang mit deinem Kirchenaustritt, mein Sohn?“
„Ja – auch, vielleicht“, meinte Bruno etwas zögerlich.
„Nein, bin ich nicht. Über mir steht niemand. Ich bin, war immer und werde immer sein. Wenn du aus der Kirche ausgetreten bist, dann interessiert mich das nicht im Geringsten. Und weißt du, weshalb es mich nicht interessiert?“
„Nein, nicht so richtig ...“
„Weil du dennoch mit ganzem Herzen an mich glaubst, mein Freund – auch wenn du es dir selbst gegenüber nicht immer zugibst. Das allein zählt.“
„Aber warum gibt es die Religion dann überhaupt?“, wollte Bruno wissen.
„Ach Junge – schon in meinen Heiligen Schriften steht geschrieben: Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei. Deshalb habe ich Mann und Frau geschaffen, deshalb habe ich damals meinen Filius zu euch geschickt, um euch eine Religion zu stiften, deshalb habe ich euch verschiedene Propheten, weise Männer und Frauen gesandt und deshalb habe ich Vereine und Discotheken erdacht und erschaffen, genau deshalb springt Hans Meier in seinen Kegelclub – der Mensch ist ein Herdentier, das ist nun mal so und dem muss ich Rechnung tragen, verstehst du? Der Mensch fühlt sich bei allem, was er tut, nur in der Gruppe oder in der Familie wohl und sicher. Sie gibt ihm den benötigten Schutz – zumindest so lange, wie er glaubt, dass es so ist. Und deshalb gibt es auch die Religionsgemeinschaften.“
„Das leuchtet mir durchaus ein. Aber weshalb gibt es dann verschiedene Religionen?“
„Die Menschen auf Erden sind von unterschiedlicher Mentalität. Ich habe die Religionen einfach auf die verschiedenen Mentalitäten zuschneidern lassen. Aber es läuft immer auf das Gleiche hinaus: Sie verehren immer nur mich, beten immer nur zu mir. Übrigens habe ich vorgestern ein Jubiläum gefeiert.“
„Oh, welches denn?“
„Ich habe vorgestern das drittbillionste Gebet seit Jesu Geburt empfangen. Von
einem Mann aus Sachsen-Anhalt namens Johann Wagner. Er gewinnt dafür einen Freiflug, dazu eine Green Card für Amerika, darf aus Deutschland auswandern und er wird glücklich.“
„Unglaublich! Hast du alle Gebete gespeichert? Hast du einen Supercomputer oder so was?“

„Nein, aber ein unendliches Gedächtnis, mein Freund.“ Eine kurze Pause entstand, dann fuhr Gott fort: „Ich habe sie alle in meinem Gedächtnis gespeichert. Sie sind mir sehr wertvoll, weißt du.“
„Dann bist du mir also nicht böse, weil ich aus der katholischen Kirche ausgetreten bin?“, wollte Bruno wissen.

„Nein. Ich weiß, du warst mit ihren Dogmen nicht mehr einverstanden. Und das ist deine Überzeugung. Nach der hast du gehandelt – und das ist in Ordnung. Ich gebe es ganz offen zu: Die Sache war von meinem Filius übrigens völlig anders geplant, aber die Menschen verzerren immer alles ...

Das Ganze hat sich eigentlich auch nur deshalb ergeben, weil es meinem Jesus immer sehr langweilig war. Du weißt ja selbst, wie es bei euch Menschen ist: Die Alten sollen die Jungen anleiten, sie auf den rechten Weg führen und deshalb sagte ich eines Tages zu ihm: Jesus, sagte ich, du solltest nicht ewig nur im Universum herumlungern, sondern etwas Vernünftiges tun. Geh auf den Planeten Erde, da gibt es sogenannte Menschen, eine ungebildete, primitive Rasse, aber man kann etwas aus ihr machen. Stifte ihnen eine Religion, bringe ihnen die geistigen Gesetze! Aber bitte mit Vorsicht! Sprich nur in Gleichnissen, denn eine direkte Erklärung verstehen sie nicht, ihre Gehirne machen dann sofort dicht, sie sind nämlich etwas unterbelichtet, nehmen gleich alles wörtlich oder gar persönlich. Such dir auf Erden ein Elternpaar aus, wachse ganz normal auf und schleiche dich in die miserable Gesellschaft ein. Dann suchst du dir ein paar Apostel, aber bitte nicht mehr als zwölf, sonst verlieren die Menschen später den Überblick und die Bibel wird zu dick. Und dann los! Mach ein paar spektakuläre Sachen, die die Menschen nicht zustande bringen, weil sie geistig noch zurückgeblieben sind, das heißt, wirke Wunder und bringe ihnen Gott  nahe. Aber dosiere das vorsichtig, sonst wirst du unglaubwürdig und sie halten dich für einen Zauberer. Sei ihnen ein Freund und hilf ihnen. Ein paar Jahre später werden sie dich für deine Wohltaten zwar ans Kreuz nageln, denn Undank ist der Lohn der Welt – das tut dann momentan etwas weh, dein menschlicher Körper wird es nicht überleben, aber er wird gleich danach verklärt, du kannst sogleich wieder als Geistwesen auferstehen und bist anschließend sofort wieder fit. Na ja, was soll ich sagen? Mein Filius war ganz begeistert, schon deshalb, weil er endlich eine sinnvolle Aufgabe hatte und noch dazu die Gelegenheit, die Menschheit zu erlösen und aus ihrem geistigen Sumpf zu befreien.“

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

Doc12 Offline

Mitglied seit: 21.07.2010
53 Jahre, DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2010-07-30 07:20