Kein Tag wie jeder andere

Ich sitze hier auf meiner Terrasse, schütte mir zum zweiten Mal den Wein nach. Er ist rot... so rot wie die Lichtstrahlen der untergehenden Sonne. Endlich wird es ruhiger in meinem Kopf. Die Gedanken setzen sich, versuchen durch diese Mauer zu kommen, um mir endlich begreiflich zu machen, was mir meine Frau heute sagte...

Ich kam nach Hause aus dem Büro. Nichts deutete darauf hin, was ich gleich erfahren würde. Auf der Terrasse wartete schon meine Frau, ich brachte Kuchen mit. Immerhin wollten wir gemeinsam die letzten warmen Stunden noch geniessen, ehe sie zur Arbeit als Krankenschwester muß.
"Ich habe eine Überraschung für dich!", sagte sie zu mir, und deutete auf einen Briefumschlag, der neben einem Kinderüberraschuns-Ei lag. Wir hatten uns zu Ostern nichts geschenkt, weil wir zu beschäftigt waren. Ich meinte noch, dass ich nichts für sie hätte, setzte mich und öffnete den Umschlag. Ich faltete den Zettel auseinander, sah eine Zeichnung... laß die Worte: "Du wirst Vater"...

Ich war... bin immer noch sprachlos. Ich schaute in ihre tränengefüllten grünen Augen, sah das Sonnenlicht in einzelnen Tropfen glitzern, die langsam ihr Gesicht hinunterliefen. Mein Blick war leer, ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Es schien eine Ewigkeit zu vergehen, bis ich meine Stimme wieder fand. "Bist du sicher?", fragte ich rauh. Ihr Nicken, ihr Lächeln... die ganze Welt gab mir die Antwort.

Die nächsten zwei Stunden saßen wir dort, hielten unsere Hände, erzählten... plauderten.
Mir fielen die unglaublichsten Sachen ein, die wir jetzt noch machen müssen. So viel... zu erzählen, doch noch darf es niemand erfahren. Am Dienstag gehen wir zum Frauenarzt.

Nun wollte ich es genau wissen. Wir machten einen 2. Schwangerschaftstest. War ich vorher noch relativ gefasst, saß ich nun zusammengesunken auf dem Badewannenrand. Die Minute war um, ich schaute auf das Ergebnis. Dort waren sie, die zwei Striche. Und jetzt... jetzt kamen die Tränen auch bei mir. Ich nahm meine Frau in den Arm, drückte sie, stammelte Worte...

Als meine Frau zur Arbeit fuhr, schwang ich mich auf mein Fahrad und fuhr zum nahegelegenen Friedhof. Dort liegt seit vielen Jahren meine Oma begraben. Ich war schon lange nicht mehr hier. Ich säuberte ihr Grabstein, erzählte ihr davon. Meine Großmutter... sie war immer so stolz auf ihre Enkel, auf ihre Familie. Was hatte sie alles durchgemacht, damals im Krieg und danach. Ihre Flucht aus dem heutigen Polen. Sie tat alles für ihre Kinder... nun rücke ich nach, werde Vater...

Ich mußte diese Gedanken niederschreiben. Denn nun hat sich alles geändert. Ich beginne einen neuen Lebensabschnitt, wie schon einige Male vorher, doch diesmal wird es einen sehr tiefen Schnitt geben.

Ich bin gespannt, was das Leben nun für mich bereit hält, denn...

ich werde Vater.