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Tagebuch CharlieB
2006-11-09 16:26
Hochzeit!
„Hallo!“
„Ja, hallo. Na, wie geht es dir?“
„Ach ja, ganz gut. Und selber?“
„Ja, auch gut. Bischen viel Arbeit, aber sonst...“
„Ja, kenn‘ ich...“
„Haben uns ja lange nicht mehr gesehen. Alles klar sonst?“
„Ja, kann nicht klagen. Arbeit läuft wieder prima, habe mir ein Haus gekauft und habe vor drei Wochen geheiratet.“
„Ach! Das ist ja toll. Herzlichen Glückwunsch...“

Komisch. Wenn ich mir diesen Smalltalk von der Mittagspause so anschaue... Da habe ich nämlich eine alte Kollegin in der Stadt getroffen. Komisch war es nicht, sie zu treffen, sondern dass ich so mehr oder weniger beiläufig meine Heirat erwähnte. Ist es jetzt endlich so, dass ich mich an diesen „Zustand“ des Verheiratetsein endlich gewöhnt habe? Ich werde noch oft gefragt, wie es denn jetzt so sei. Nunja, der Kaffee schmeckt immer noch so wie vorher. Das Sonnenlicht hat sich auch nicht verändert (sich lediglich der Jahreszeit angepasst). Alles scheint so wie vorher; und trotzdem ist es irgendwie anders. Jetzt kann ich mich ganz geklärt darüber unterhalten; ruhe so in mir selber. Vor gut drei Wochen sah es da in mir noch ganz anders aus...

„Komm mal mit raus!“ Ich gehe mit meinem älteren Bruder in den Garten. Mein Blick geht zum Himmel, das Wetter hält sich. In weniger als zwei Stunden werde ich verheiratet sein. Langsam macht sich doch die Nervosität in mir breit. Da stehe ich nun in meinem Hochzeitsanzug im Garten meines Bruders. Meine Braut ist noch Zuhause, wohl mit dem Friseur schon fertig. Bald müßte der Oldtimer kommen, um sie abzuholen. Ich werde dann mit meinem Trauzeugen nebst Frau und meinem Bruder zum Schloß fahren, um dort auf sie zu warten.

„Ich weiß nicht, ob du da schon was hast“, unterbricht mein Bruder mein Gedankengang. „Bei mir war es so, dass ich etwas von Papa dabei hatte.“
„Ja“, erwidere ich, „Papa ist auf jeden Fall mit dabei“, sage ich und hole aus meiner Innentasche das Foto heraus. Das letzte Foto meines Vaters. Er sitzt da auf dem Sofa, die Hände in seiner typischen Art hinter dem Kopf verschränkt und schaut in die Kamera.
Mein Bruder senkt den Kopf, nickt und holt etwas aus seiner Tasche. Kurz darauf hängt der dicke Ring an der Goldkette meiner Taschenuhr. Stumm gehen wir ins Haus zurück...

Nun ist es soweit. Aufbruchsstimmung. Ich dränge etwas. Wir besteigen die Auto und los geht’s. Am Schloß angekommen schaue ich überall in freundliche Gesichter. Ich versuche, den Coolen zu spielen. Gelingt mir aber, wie man mir später bescheinigte, nicht sehr gut. C., meine Lebensgefährtin, nimmt mich ganz fest in die Arme und überreicht mir den herrlichen Brautstrauß. Ihr oblag es, alles zu schmücken. Einen Tag vorher waren wir ja schon hier im Schloß und haben alles vorbereitet. Es sieht alles sehr romantisch aus.

Dann ein Pfiff meines Bruder aus weiter Ferne. Er steht hinten an der Straße und gibt mit Zeichen zu verstehen, dass nun die Braut kommt. Spätestens jetzt ist alle Coolness weg. Auf Bilder später sehe ich mich da selber stehen, den Strauß in der Hand, den Blick nervös in die Ferne gerichtet. Da fährt der Wagen in den Innenhof ein, macht eine kleine Runde und kommt ca. 20 Meter vor mir zu stehen. Fotokameras klicken. Endlich steigt sie aus. Diesen Anblick kann ich nicht in Worten fassen! Was ich dort sehe, ist ja nicht „nur“ eine schöne Braut. Was ich da sehe, ist die Verwirklichung meiner tiefsten Träume und Sehnsüchte. Diese Frau dort, möchte ihr Leben mit mir verbringen. Diese Erkenntnis, diese Vorstellung dessen, gipfelt sich in einen dermaßen starken Gefühl der Liebe, dass es mir im wahrsten Sinne die Sprache verschlägt.
Ich gehe die wenigen Stufen hinunter, ihr entgegen. Geführt wird sie von ihrem Vater. Ich sehe Tränen in seinen Augen, als er mir mit einigen Worten seine Tochter übergibt. Ich nehme ihre Hand und ziehe sie sanft zu mir heran. Um uns herum hat sich so etwas wie eine Blase gebildet. Die Stimmen der anderen Leute kamen nur noch gedämpft bei mir an. Alles, was ich sehe, sind ihre Augen; alles, was ich spüre ist eine gewaltige Liebe in meinem Herzen. Langsam drehen wir uns um, und gehen die Stufen zum Schloß hinauf. Oben angekommen, verharren wir einige Augenblicke. Ich schaue weiterhin in ihre grünen Augen und möchte etwas sagen. Aber wie damals in Irland, als ich ihr auf der Brücke in einem wunderschönen Tal dieser grünen Insel den Antrag machte, versagt meine Stimme. Ich bekomme lediglich einige Wörter heraus, breche dann aber ab, um nicht vollends meine Beherrschung zu verlieren. Statt dessen drehe ich mich um, und winke alle heran, doch nun endlich ins Schloß zu gehen.

Dort im Spiegelsaal nehmen wir alle Platz. Auf den Fenstersimsen stehen große Herzen aus Efeu. Bei den letzten beiden Hochzeiten, auf den ich war, war ich der Fotograf, der ständig herum rannte. Nun sitze ich hier vorne. Die Standesbeamtin beginnt mit ihrer Rede. Es ist eine sehr schöne Rede, durchdrungen mit vielen Zitaten berühmter Literaten. Meine Braut sucht meine Hand, findet sie und wir halten uns gegenseitig fest. Wieder schwirren Gedanken durch meinem Kopf, Gefühle machen sich breit. Und wieder kämpfe ich mit meiner Beherrschung. Endlich ist es soweit, wir müssen uns erheben. Unzählige Male habe ich diese Prozedur gesehen. Aber es ist ein großer Unterschied, wenn man es nun selber macht. Als erstes wird meine Braut gefragt. Sie schaut mir fest in meine Augen, als sie die Frage bejaht. Nun ist es an mir. Auch ich schaue sie an, verliere mich fast in ihren grünen Augen. Mein „Ja“ erntet einiges leises Gelächter; meine Stimme war wohl doch nicht so fest, wie ich hoffte.
Und dann küssen wir uns. Die ganze Welt dreht sich nur noch um uns. Beifall kommt auf, ich schaue in die Augen meiner Frau. Unbeschreibliches Glück ist in ihnen zu sehen. Ich drehe mich zu den Gästen um. Da steht meine Mutter, Tränen in ihren Augen; sie freut sich für uns. Irgendwie fühle ich mich gezwungen, sie zuerst sehen zu wollen. In diesen kurzen Moment, wo sich unsere Blicke trafen, sprachen wir ohne Worte miteinander. Wir beide wissen, dass in diesem Moment einer fehlt. Wieder ist da diese schmerzliche Lücke. Doch wir beide wissen, dass er in diesen Moment unheimlich stolz auf mich gewesen wäre...

Tage später stehe ich an seinem Grab. Der Wind ist kalt und reißt an meiner Jacke. Wolken rasen dahin. Ich halte die Hand meiner Frau und wir beide schauen auf das Grab, auf dem ein großes Herz aus Efeu steht...

Kommentare

20:15 27.11.2006
Vielen lieben Dank an euch allen!!!
Ich kann es gar nicht hoch genug bewerten, solche Menschen wie euch zu haben.
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unbekannt
06:51 16.11.2006
Schöner Tag ...... schöner Eintrag ...... schöne Erinnerung hoffentlich lebenslang ..... daswünsch ich Euch!
http://smileys.smileycentral.com/cat/11/11_3_2.gif
GLG


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unbekannt
18:49 10.11.2006
Ach Charlie...wie immer fehlen mir die Worte...auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen...du Virtuose des geschriebenen Wortes
Es ist etwas anderes, da hast du recht...der Kaffe schmeckt wie immer, aber es ist ein anderes Band.
Von ganzem Herzen wünsche ich dir, dass du mit deiner Frau so glücklich bleibst und eure Liebe so tief bleibt, wie es in diesem besonderen Moment war...das sollte immer eure Basis sein :) *undnocheineRoseüberreich*


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18:47 10.11.2006
Dankeschön...
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20:01 09.11.2006
*gänsehaut*
herzlichen glückwunsch!
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16:40 09.11.2006
Wunderschön geschrieben...
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