Dass ich mir gerne mal viele Gedanken über kleine Kleinigkeiten mache, dürfte man ja mittlerweile bemerkt haben. Aber so bin ich manchmal einfach.

Außerdem bin ich der Ansicht, dass man seine Mitmenschen so behandeln soll, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Und ich möchte, dass man auf jeden Fall fair mit mir umgeht. Also überlege ich manchmal vielleicht auch mal ein bisschen länger, wie ich fair mit meinen Mitmenschen umgehen kann.

Anlass des Ganzen ist der Herr aus meiner Nachbarstadt, der im Moment mit dem Rad durch Osteuropa tourt.

Heute vor einer Woche haben wir ja in etwa drei Stunden miteinander telefoniert, bevor er letzten Freitag zu seiner Reise aufgebrochen ist. Am Schluss des Telefonats waren auch Emailadressen und Handynummern getauscht. Damit man MAL eine SMS schreiben kann. Seine Worte.

Und ich meine, ich finde ihn nett, auch ganz interessant, wir verstehen uns und unabhängig davon, was mit dem Musiker passiert oder nicht passiert, würde ich den Herrn aus meiner Nachbarstadt schon gerne kennen lernen. Wir haben teilweise Ähnliches studiert und würden uns so einfach ganz gut verstehen. Aber das große Drama, das große Gefühlschaos gibt es von meiner Seite nicht. Ich find ihn einfach nett.

Soweit, so gut. Seit letztem Freitag bekomme ich nun täglich einen Reisebericht via SMS. MAL eine SMS hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Nicht, dass es mich stört oder mich nervt. Und wenn ich mich richtig erinnere, zahle ich doch, wenn ich SMS ins Ausland schreibe, nur die SMS-Kosten und keine Roaming-Gebühr. Die zahlt doch derjenige, der im Ausland ist. Oder?

Aber das ist auch nicht das Problem.

Es ist nett, jeden Tag einen Reisebericht per SMS zu bekommen. Es ist ganz interessant, sich die Route mal auf der Karte anzuschauen. Es stört mich nicht, es ist ein kleines Extra, ein kleines, nettes Extra jeden Tag. Nicht so nett, dass man sagen könnte, es versüße mir den Tag, aber einfach nett.

Es ist nur einfach…Wäre der Herr aus der Nachbarstadt nicht offensichtlich an mir interessiert, würde er mit Sicherheit nicht täglich schreiben. Normal ist das ja nicht, da wir uns ja auch kaum kennen, nur ein paar Mails hin und her geschrieben haben und ein längeres Telefonat geführt haben.

Natürlich kann niemand von mir erwarten, dass ich fünf Wochen lang jede Aktivität auf den entsprechenden Seiten einfriere, weil der Herr aus der Nachbarstadt fünf Wochen unterwegs ist. Natürlich kann es immer passieren, dass man jemand anderen kennen lernt. Ob im Internet oder auf der Straße ist da eigentlich egal. Was passiert, passiert eben. Dann ist das einfach so.

Aber ich bin in solchen Dingen einfach gerne fair, weil ich weiß, wie sehr ich oft von manchen Dingen getroffen bin, auch wenn sie für mich der Vernunft nach ok wären.

Man muss sich das ja auch mal vorstellen. Wäre es umgekehrt, wäre ich fünf Wochen im Ausland und hätte kurz vorher jemanden kennen gelernt: Natürlich würde ich versuchen, den Kontakt zu halten und die Zeit zu überbrücken. Und ich würde mir Hoffnungen machen, wenn derjenige jeden Tag auf meine Nachrichten antwortet. Gut, ich steigere mich auch gerne schnell in manche Dinge hinein und bewerte ganz schnell das ein oder andere, im positiven wie im negativen Sinn, mal über. So bin ich.

Aber…ich glaube nicht, ganz ehrlich, dass jeder der Freunde und Bekannten des Herrn aus der Nachbarstadt täglich ein Reiseupdate per SMS bekommt. Das wäre wohl eher ungewöhnlich. Denke ich. Und ich frage mich, ob ich ihm wirklich jeden Tag antworten soll. Ich meine, ich freue mich über seine Nachrichten und antworte ihm gerne. Aber ich zähle nicht voller Sehnsucht die Tage bis zu seiner Rückkehr.

Mir ist bewusst, dass ich ein Mensch bin, der sich sehr leicht aus seinem emotionalen Gleichgewicht bringen lässt. Und es ist eine Sache, wenn man sich in fünf Wochen trifft und feststellt, dass die Chemie nicht stimmt, aber eine ganz andere, wenn dann die eine Hälfte verkündet, sie habe kein Interesse an mehr, weil sie in den fünf Wochen wen anders getroffen habe.

Na ja, so ganz so wäre das zwar nicht, aber jedenfalls habe ich kein romantisches Interesse an dem Herrn aus der Nachbarstadt und ob ich es in fünf Wochen haben werde, weiß ich auch nicht.

Natürlich weiß ich nicht, was nächste Woche bei dem Treffen mit dem Musiker passiert. Natürlich ist es möglich, dass ich mir wieder viel zu viele Gedanken über ungelegte Eier mache.

Aber ich weiß, mich würde es treffen, wäre ich an seiner Stelle und würde in fünf Wochen eine Absage bekommen.

Ich weiß nicht, ob das, unabhängig von dem Musiker, wirklich so ratsam ist, jeden Tag Kontakt zu haben. Vielleicht sollte ich den Kontakt von meiner Seite einfach reduzieren. Die Gefahr, dass ich die Sache mit dem Herrn aus meiner Nachbarstadt überfrachte und seine Rückkehr herbeisehne, besteht zwar von meiner Seite aus nicht. Aber das muss ja umgekehrt nicht genauso sein.

Vielleicht mache ich mir viel zu viele Gedanken. Das will ich nicht ausschließen. Und das ist, so wie ich gestrickt bin, auch mehr als wahrscheinlich. Aber wie gesagt, ich kann mich nur wiederholen, ich finde es einfach wichtig, fair zu bleiben, wenn einem jemand sympathisch ist. Und ich frage mich, ob es fair ist, dem Herrn aus der Nachbarstadt jeden Tag auf seine Reise-SMS zu antworten.