Eigentlich geht es mir gar nicht gut. Eigentlich gibt es da nur noch die Angst, die mir im Nacken sitzt. Die neusten Entwicklungen verschlimmern es nur. Und trotzdem hatte ich gestern einen wirklich guten Tag. Wenn man beschließt, der Welt mit einer gewissen Todesverachtung entgegen zu lachen, können dabei doch recht gute Tage herauskommen.

Die Farbe Lila. Vielleicht lag es an ihr, dass ich li-la-launig durch den Tag marschierte. Die Stiefel, das Kleid, der Liedschatten….klingt fast nach billiger Leuchtreklame, ist aber tatsächlich eine Kombination, von der ich glaube, dass sie mir gut steht.

Das amerikanische Gute-Laune-Bündel zu meiner Linken während der ersten Stunde tat ihr Übriges.

Oder nein, nicht nur sie. Auch der Herr Guapo unter den Supervisoren hob meine Laune doch erheblich. Er mit dem Charme eines tapsigen Hundewelpen. Er, der mit Sicherheit Anfang 30 ist, wurde immer wieder hochrot bis in die Haarspitzen, wenn ihn die Amerikanerin wissen ließ, dass wir über ihn gesprochen hatten. Entzückend finde ich das. Unglaublich süß. Süß, ja. Aber nicht anziehend süß.  

Und doch, ich mag die Montage und die Freitage, an denen er meistens da ist. Ich mag es, ihn heimlich zu beobachten und immer wieder kleine Details zu entdecken. Die ersten grauen Haare. Die blonden Härchen auf den Armen, die im Sonnenlicht so hübsch glänzen. Ich mag die Feedbackgespräche mit ihm und wende ich mich auch gerne zwischendrin mal mit einer Frage an ihn. Wobei ich doch, wenn möglich, immer zu jemand anderem gehe. Jemand, der mich gut kennt, hätte schon längst gemerkt, dass ich einen Narren an diesem speziellen Supervisor gefressen habe. Aber das muss dort ja nicht unbedingt bekannt werden.

Ich mag sie, die Tage, an denen er da ist. An diesen Tagen verlasse ich das Gebäude am Ende des Tages mit einem Lächeln auf den Lippen und strahle nach, strahle der Welt entgegen, strahle wildfremde Typen an, die ich nie bewusst wahrnehme, die sich aber dann ermutigt fühlen mich anzugraben. Auch das amüsiert mich. Ebenso wie der Jungspund neben mir, der irgendwann den Platz der Amerikanerin einnahm und sich vorgenommen hatte, mich zu siezen. Weil er ja doch so arg gut erzogen ist. Normalerweise würde es mich schrecklich nerven, gestern hat es mich einfach nur amüsiert.

Ja, für den gestrigen Tag hatte ich mir vorgenommen, der ganz normale Alltag möge meine Droge sein und es hat funktioniert, die Laune hielt bis zum Abend.

Heute, ja, heute sind sie wieder da, die Probleme, die Ängste, die Sorgen. Gepaart mit dem Blick in die Vergangenheit. Heute ist kein guter Tag. Heute bin ich, neben vielem anderem, vor allem traurig. Heute ist wieder einer dieser Jahrestage, an die man sich besser nicht erinnern würde. Der erste wohlgemerkt.  Heute vor einem Jahr haben wir uns kennen gelernt. Er und ich. m. UsIkEr. Und ich wünschte immer noch, es wäre anders gelaufen. Und ich wünschte immer noch, es könnte noch einmal anders laufen. Aber das ist ausgeschlossen, jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt.

Ich möchte sie nicht auch noch schriftlich festhalten, die schlechte Stimmung, in der ich heute erneut versinke. Lieber halte ich einmal fest, dass es trotz allem auch gute Tage gibt. Die guten Momente gilt es zu bewahren. Die schlechten sollte man nicht noch dadurch aufwerten, in dem man sie detailliert festhält. Davon wird es schließlich auch nicht besser.