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Tagebuch c.
2011-06-03 09:09
Eigentlich ist alles ganz einfach....

Manchmal macht man durchaus ungewöhnliche Dinge. So sah ich mir heute völlig freiwillig und sogar geplant ein bisschen Reality-Trash auf einem großen deutschen Privatsender an. Warum ich das tat? Vor zwei Wochen hat mir ein Callcenter-Kollege verraten, dass er dort heute in einer Folge als Chef zu sehen sein würde. Ich habe mich ja immer gefragt, was das für Leute sein mögen, die sich freiwillig für diese Formate hergeben und jetzt weiß ich es: Sie arbeiten in meinem Callcenter.

Es war nett, sein Auftritt dauerte keine Minute, aber dennoch, ich liebe es, Leute im Fernsehen zu beobachten, die ich auch im echten Leben kenne. Ich mag ihn. Er hat sich an einem der ersten Tage so nett um mich gekümmert. Für seinen Hauptberuf lernt er gerade Chinesisch, will noch ein Sinologie-Studium nachlegen. Gestern erfuhr er von meiner Absage und hatte gleich wieder ein paar aufmunternde Worte parat. Ach ja, die Leute dort sind schon wirklich alle mehr als in Ordnung.

Manchmal braucht man solche aufmunternden Kleinigkeiten...

Ich kann nicht behaupten, nie über ein „Was-wäre-wenn“ nachgedacht zu habe. Ich kann nicht behaupten, dass es nicht auch verlockend wäre ihn zu treffen.

Aber dann, dann spüre ich sie, tief in meinem Inneren, sie kriecht von ganz weit unten mein Rückgrat hinauf und krallt sich dann in meinem Nacken fest, wie ein großer, schwarzer Schatten, der auf meinen Schultern hockt. Die Angst, ich erinnere mich an sie. Diese absolut irrationale Angst mit einem Fehler alles kaputt zu machen. Die Angst, die hemmt, die alles lahm legt. Bilder flackern vor meinem inneren Auge auf, Szenen, die ich fürchtete, in denen mir jegliche Lockerheit abhanden gekommen war.

So war das. Und es würde nicht anders kommen. Alles auf Null geht nun mal nicht und mit dem, was war, ist es doch schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Wenn ja, wenn…Wenn was?

Ich bin froh, dass die Wohnortsbenachrichtigung keine Neuigkeit für mich war. Hätte ich sie unvorbereitet bekommen, stünde ich wohl noch mehr neben mir.

Er hätte sich nicht melden sollen, er hätte sich wirklich nicht melden sollen. Das beschäftigt mich viel zu sehr, wirklich viel zu sehr. Wie ein paar wenige Worte doch eine ganze Welt zum Wanken bringen können.

Ich erinnere mich sehr gut daran, was für ein Wrack ich am Ende des letzten Sommers war. Ich höre die Musik, die ich hörte. Ganz unerträglicher Kitsch, teilweise. Ich sage nur: Did I make it that easy to walk right in and out of my life? Gezittert, geheult, geschrien, geheult, gezittert, geschnitten, alles in Frage gestellt.

Die Scherben habe ich aufgesammelt, mühsam, langsam. Und ich funktioniere wieder im Alltag, kann mich um meine Zukunft kümmern, tatsächlich. Aber was hat es mir sonst so gebracht? Es hat sich festgesetzt, eingebrannt, die Überzeugung, zu kompliziert für Beziehungen zu sein. Das Thema ist abgehakt und doch auch irgendwie nicht. Das so passende Bild vom Turm, ich habe nur noch mehr Mauern und Mauern über ihm aufgezogen. Ich blockiere, ich will gar nicht mehr jemanden so nah an mich heran lassen, dass es so wehtun kann.

Stattdessen: Was war meine Alternativlösung? Lächerliche „Beziehungskonstrukte“, flüchtige Bekanntschaften. Der Herr aus der Schweiz, der für böse, böse Mails zahlen wollte, die Herren aus Köln, die ich traf und die nervten, weil sie es wagte, sich tatsächlich doch ein wenig für mich und mein Leben zu interessieren.

Ich kann nicht sagen, dass ich mit diesen Geschichten wirklich glücklicher war. Aber sie haben mir geholfen, mir selbst etwas zu beweisen. Mit dem Kopf durch die Wand, um jeden Preis. Ich habe mir selbst zu beweisen versucht, wie locker und unkompliziert ich doch sein kann. Und na ja, zu mindestens kann ich Geschichten von vermeintlicher Lockerheit und Unkompliziertheit erzählen. Aber ob ich selbst wirklich tief in mir daran glaube, das steht auf einem ganz anderen Blatt geschrieben.

Wer dumm fragt, bekommt dumme Antworten. So hielt ich es. Und jetzt zappele ich am Haken und ich weiß es. Er fragte: „Bist du auch manchmal hier?“ Ich antwortete: „In Köln? Nee, derzeit eher selten.“ So weit, so gut. Der letzte Kontakt.

Ist damit wirklich alles gesagt?

Ich weiß, ich könnte mich selbst vom Haken lassen, in dem ich es einfach so stehen lasse und nichts mehr tue.

Einfach nicht mehr melden und vergessen, dass es diese Episode überhaupt gab.

Und ich könnte meine Ängste zurück in ihre Schubladen schieben, bräuchte mich nicht mit ihnen auseinander zu setzen, nach einer Weile würden sie wieder in seliger Vergessenheit schlummern und ich würde weiter machen wie bisher. Auf der Arbeit mit einem Kollegen das Spiel mit dem Blickkontakt spielen, ansonsten jegliche Annährungen vermeiden und mir vielleicht hin und wieder mal eine kleine Schwachsinnsgeschichte gönnen, um mir damit erneut etwas zu beweisen. Funktioniert hat es ja auf diese Weise, im letzten halben Jahr. Und so schlecht war es auch nicht, weil mich größere Sorgen quälten und ablenkten. Aber irgendwann wird das vielleicht ausgestanden sein und dann?

Ich befürchte, mich beschäftigt die ganze Sache viel zu sehr, als dass ich halbwegs meinen Frieden finden könnte, wenn ich jetzt einfach alles so stehen lasse wie es ist.

Andererseits erinnert sich mein Kopf, mein Herz gerade viel zu gut daran, was irgendwann alles anfing Angst zu machen und ich glaube nicht, dass es bei der Erinnerung bleiben würde, triebe ich den Kontakt voran.

Tja, so sieht es aus, das hier ist nur ein kleiner Einblick in das komplizierte Wesen, in das ich mich verwandele, wenn mir jemand nicht egal ist. Ohne die Hysterie, ohne die Angst, ohne die Tränen, ohne den Selbsthass, den Selbstzweifel, die Minderwertigkeitsgefühle.

Complication light.

Ich denke mal, von seiner Seite aus stellt sich die Geschichte folgendermaßen da.

Er ist nach Köln gezogen.

Er war letzte Woche zufällig online und sah mich zufällig online.

Er dachte sich etwas wie: „Hey, du kannst sie ja mal anschreiben, vielleicht trifft man sich ja mal und wenn nicht, dann passt das auch.“
Und so sieht es wohl jetzt auch aus. Egal, ob ich mich noch einmal melde oder nicht, für ihn wird’s so oder so passen und die Entscheidung liegt bei mir.

Ganz einfach. Ganz ohne große Komplikationen. Ich glaube, würde er von der letzten Woche berichten, würde er dafür wahrscheinlich nicht viel mehr Worte brauchen. Und ich bin mir sehr sicher, dass er über die nicht mal 40 Worte, die wir miteinander gewechselt haben, nicht annähernd so viel nachdenkt wie ich oder dass sie ihn so sehr beschäftigen wie mich.

Acht wirklich lange Jahre währte das Filipe-Drama. Von 2000 bis 2008. Wenn ich eines daraus gelernt habe, dann dass ich viel zu sehr nachdachte und viel zu sehr an Märchen und Vorbestimmung glaubte, während er meistens nur spontanen Eingebungen folgte und sich aus einer Laune heraus meldete oder weil er mal gerade wieder zufällig in der Gegend war. Das sind viel zu unterschiedliche Ansätze, die man niemals hätte zusammenbringen können. Nach vielen Tränen und ganz viel Tragik habe ich das dann irgendwann auch endlich einsehen und abhaken können.

Und seitdem heißt es: I don’t believe in fairytales!

Märchen gibt es nicht.

Zu viele Gedanken sind grundsätzlich schädlich und machen alles erst so richtig kompliziert.

Was kann man objektiv festhalten?

Er ist vermutlich einfach einer spontanen Eingebung gefolgt, als er sich gemeldet hat.

Für mich ist vor fast einem Jahr eine Menge kaputt gegangen und die Angst vor einer Wiederholung ist groß.

Heißt unterm Strich, die Rechnung geht nicht auf. Eigentlich ist also alles ganz einfach. Eigentlich.

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2011-06-03 09:09