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Tagebuch c.
2011-06-23 21:40
Alle Vögel fliegen hoch...Hoch! Hoch!

Sie ist wieder da, diese diffuse Angst, die mir im Nacken sitzt und den Puls hochtreibt. Es ist komisch, das passiert besonders, wenn ich im Bett liege. Das Bett, mein Bett, mein bevorzugter Ort zurzeit. Ich bemühe mich zwar, mich dort nur an den dafür vorgesehenen Tageszeiten aufzuhalten, aber ich sehne sie herbei. Eingekuschelt in meine Decke…Ich schlafe meistens auf dem Bauch, die Decke dann so über mir, das gibt mir ein Gefühl von Geborgenheit, eine simulierte Umarmung. Und wenn ich da so liege und alles ist gut, eigentlich, dann fängt es an, mein Puls beschleunigt sich einfach so, ohne Vorankündigung. Vermutlich weil meine Gedanken abschweifen und sich doch mehr mit den Sorge befassen, die Tag für Tag anstehen.

 

Ich laufe wie Falschgeld durch die Gegend heute. Heute ist es besonders extrem. Es ist Feiertag. Die Feiertage wie die Sonntage gehören meinen Eltern. Das ist einfach so. Für mich so eine Art Naturgesetz, auch wenn ich vielleicht lieber den Tag für mich vergammeln würde. Nun hatte ich vorgesorgt, in weiser Voraussicht. Trug mir letzte Woche für drei Stunden Telefondienst ein für heute. Kam mir sehr gelegen, als der Sonntag dann so entgleiste.

 

Nun ist es aber auch so, dass ich seit Sonntag nichts mehr gehört habe von ihnen. Keiner ruft wegen irgendeinem Scheiß an und das verunsichert mich. Gerade heute. Ich fühle mich schlecht, weil ich nicht weiß, ob man von mir erwartet, dass ich mich melde, wenigstens an einem Feiertag. Wahrscheinlich erwartet man das, auch wenn man mich vermutlich nur recht kurz abgefertigt hätte am Telefon. Aber so heißt es wahrscheinlich dann bei nächster Gelegenheit, dass sie mir egal sind.

 

Es schwelt jetzt schon seit zwei Wochen, morgen Abend werden es zwei Wochen. Letzten Donnerstag hatte ich mal angerufen, irgendwann tagsüber. Niemand ging ans Telefon. Abends um halb zehn rief meine Ma dann zurück. „Du hattest mal angerufen heute….“ Ein bitteres Lächeln im Gesicht und ein Kopfschütteln. Ich bin mir sicher, er ist absichtlich nicht ans Telefon gegangen, als er meine Nummer im Display gesehen hat.

 

Mediation, so was in der Art würde vielleicht noch etwas bringen. Reden mit einem neutralen Dritten. Alleine komme ich ja doch nicht gegen ihn an, zumal er mir alle Worte im Mund verdreht, wenn ich sie denn einmal auszusprechen wage. Schweigen ist das einzige Mittel, dass ich zur Verteidigung je gelernt habe. Ich lasse alles auf mir niederprasseln und warte, bis es vorbei ist. Ohne eine Reaktion zu zeigen, ohne eine Träne zu weinen. Daraus wird dann gemacht, dass ich gefühlskalt bin und sie mir egal sind, ich sie zwar nicht unbedingt gerne leiden sehe, aber dass es mir doch gleichgültig ist.

 

Alleine, immer alleine, in solchen Situationen stehe ich immer alleine da. Wie vor Gericht, so habe ich mich schon immer gefühlt.

 

Jedenfalls ist sie heute besonders präsent, die Angst, die diffuse. Weil Feiertag ist, weil alles ist, wie es ist, weil ich mich überfordert fühle. Das Wochenende steht bevor. Das macht es auch nicht besser. Im Gegenteil.

 

Feiertagsarbeit…Die drei Stunden liefen heute besser als so mancher Wochentag. Das ist erfreulich. Irgendwie. Vielleicht aber auch nicht. Ich kann es gerade nicht wirklich beurteilen. Eine Kollegin fragte mich heute, ob ich Schminksachen dabei habe. Ich gehöre zwar auch zu den weiblichen Wesen, die sich ohne Makeup nicht in die Öffentlichkeit trauen (und das ist auch besser so), aber ich besitze kein Schminktäschchen für die Handtasche. Nicht mal bei wichtigen Dates habe ich eine Wimperntusche oder einen Spiegel dabei. Darüber habe ich so noch nie nachgedacht. Aber mal ganz davon abgesehen: Ich würde meine Sachen nicht mit einer mir relativ fremden Person teilen wollen, selbst wenn ich täglich ein ganzes Makeup-Studio mit mir herumschleppen würde.

 

Sie, die Kollegin, gehört zu den (darf man das so sagen?) „Türkenbarbies“ im Studio. Sehr jung, sehr naiv, mit arabischen Migrationshintergrund, gestylt bis in die Haarspitzen, völlig überschminkt. Rihannah-Rot ist wohl gerade die Haarfarbe der Saison in den entsprechenden Kreisen. Schlecht gefärbt sieht es in den meisten Fällen doch einfach nur furchtbar billig aus. Sie, die Kollegin, hat ihre drei Stunden heute in erster Linie damit verbracht, dass sie sich die Fingernägel lackierte, wenn sie an ihrem Platz saß oder auf Pause im Raucherraum eine Zigarette nach der anderen qualmte.

 

Mir war gar nicht bewusst, dass es auch in Deutschland Pfadfinder gibt. Also irgendwie schon, aber ich dachte dabei nicht an dieses typische amerikanische Klischee mit Uniformen und Abzeichen und Halstuch. Heute wurde ich eines besseren belehrt, als sich eine ganz Horde von ihnen in die Bahn quetschte. Mit Rucksäcken und Isomatten. Man hat sich vermutlich viel vorgenommen für dieses Feiertagswochenende. Zelten im Siebengebirge? Maybe, Baby.

 

Wenn ich mich gerade nicht wahrlich körperlich unwohl fühle, verspannt, verkrampf, verstört bin, wenn mein Puls nicht gerade rast, als wäre ich der Fuchs und hinter mir her jagte die gesamte Hundemeute, dann bin ich weinerlich und sehnsüchtig und noch mal weinerlich und schlecht gelaunt.

 

Ich frage mich immer, wie ich das mache, das alles auszuschalten. Kaum habe ich jemanden am Telefon, bin ich wie ausgewechselt, lache, scherze, bin lebendig. Und spätestens zu Hause blase ich wieder Trübsal.

 

Die Sache mit der Maske funktioniert doch immer gut.

 

Ich finde keine wirkliche Ruhe, die Nächte, im Bett, die Decke, sie sind auch nur kurzzeitige Illusionen eines Heidschi-Bumbeidschi-Wunderlandes, in dem alles in Ordnung ist.

 

Vielleicht sollte ich anfangen, Briefe zu schreiben. Nur für mich. In irgendein Buch. An den, mit dem ich jetzt gerne sprechen würde.

 

Und die Vernunft sagt: Lass es, lass es, lass es.

 

Weil, ist doch alles nur eine Illusion, am Ende.

 

Weil, wohin soll der ganze Wahnsinn führen?

 

Weil, am Ende bist du ja doch so alleine wie vorher!

 

Es ist mehr die Rolle, die er spielte als seine Person selbst, die fehlt. Ich bräuchte wohl jemanden, der spontan und wunderbar zauberhaft durch Schicksals magische Hand auftaucht und alles ganz und gar wunderlich neu sein lässt.

 

Ich hasse es, wenn es so ist. Dann werde ich wunderlich. Noch wunderlicher als sonst schon. Ich schreibe mir seltsame Sachen zusammen, die keinen Sinn machen und überhaupt….Sollte man nicht nach vorne schauen?

 

Dust yourself off and try again! Oder wie war das noch gleich? Weiter, immer weiter, weiter. Nicht rückwärts leben. Der Blick nach vorne. Aber wohin da? Ich sehe nichts, nichts, nur die sich ewig und ewig wiederholenden Szenarien. Mein Leben ist wie ein alter Plattenspieler, auf dem die ewig gleiche absurde Platte wieder und wieder gespielt wird. Sie leiert schon und trotzdem, es passieren immer und immer wieder dieselben absurden Episoden, gelegentlich mit unterschiedlicher Besetzung, aber die Grundthemen bleiben doch immer gleich.

 

Das ist wieder einer der Momente, in denen man sich sagt, in denen man es wahrlich lebt und fühlt: Ich will nicht mehr. Ich mag wirklich nicht mehr. Aber…am Ende bin ich doch ein elender Feigling. Entscheidungen zu treffen war nie meine Stärke, auch in dem Punkt wird sie nicht einfach so erscheinen, aus dem Nichts, die Entscheidung. Ich werde es aufschieben und irgendwann, da bewegen wir uns dann wieder in ruhigeren Gewässern. Da sind wir wieder da angekommen, wo man in unserer verqueren Welt von Normalität spricht und dann plätschert alles eine Weile vor sich hin bis zum nächsten Knall, romantisch oder elterlich verursacht ist dabei fast egal.

 

So wird es kommen. Und immer und immer und immer wieder. Bis alles irgendwann den Gang alles Irdischen geht und einfach vorbei ist. Bis dahin heißt es: Durchhalten. Für die nächsten zwanzig Jahre sicherlich. Und dann? Und dann? Und dann? Dann werde ich alleine da stehen vor den Trümmern eines Lebens, die so wunderbar selbstverursacht sind, von der hübschen Angst vor Nähe. Yay! Wenn das mal nicht Aussichten sind, auf die man sich freuen kann.

 

Objektiv gesehen wäre es da wohl wirklich besser, jetzt den endgültigen Schlussstrich zu ziehen. Das wäre wenigstens konsequent. Und eine Menge erspart bliebe einem dann doch auch. Irgendwann werden diese ewigen Wiederholungen auch mal langweilig. Ja, irgendwann muss auch mal Schluss sein.

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2011-06-23 21:40