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Tagebuch c.
2010-10-18 22:43
Ablenkung
Heute kam mir der Gedanke, dass man damals, zu meiner Zeit, zu meiner Schulzeit, noch nicht die Möglichkeit hatte, diverse Dinge im Internet zu recherchieren. Referate wurden noch auf die gute alte Weise geschrieben. Recherche im Brockhaus und in der örtlichen Stadtbücherei.

Auf der einen Seite kommt es mir wie ein ungeheurer, ein kaum tragbarer Verzicht vor, nicht mehr die Möglichkeit zu haben, sich ganz bequem jedes winzige Bisschen Wissen mit Google innerhalb von Sekunden verschaffen zu können.

Auf der anderen Seite hatte der gute, alte und beschwerliche Weg vielleicht doch etwas für sich. Bücher sind wie Freunde. Gute Freunde. Alte Freunde. Das Wissen zwischen zwei Buchdeckeln hat für mich immer noch etwas Ehrfurchtgebietendes. Es ist etwas, dem ich mich mit Respekt und in gewissem Maße auch Demut nähere. Wie viele Jahre, Jahrhunderte hat manches Wissen zwischen zwei Buchdeckeln bis heute überdauert...Dem Wissen aus Büchern bringe ich bereitwillig Vertrauen entgegen. Das Wissen aus Büchern scheint immer ein Stückchen wahrer zu sein. Und natürlich darf man den Charme von so manch einer Bibliothek nicht vergessen. Zwischen so viel Weisheit wandeln zu dürfen hat so etwas Erhabenes. Nichts geht über den Geruch eines Buches. Nichts.

Und doch…das Internet…Ich mag es nicht missen. Ich kann auf vieles verzichten. Auf den täglichen Zugang zum Internet verzichten zu müssen, fällt mir dagegen unglaublich schwer. Dabei gibt es diese Verbindung, mich und das Internet, noch nicht mal seit zehn Jahren. Vor neun Jahren, 2001, da hatte ich endlich meinen eigenen Internetanschluss in meinem Zimmer. Damals noch mit Wählverbindung. Damals waren meine Ausflüge ins WorldWideWeb noch von sehr kurzer Art. Erst 2002, erst nach meinem Abi bekamen wir eine Flatrate. Mit ihr kamen das Icq und die Anmeldung auf meiner ersten Tagebuchseite.

Ich erinnere mich noch an die Zeiten, in denen ich das Icq nutzte, um mit Menschen aus der ganzen Welt in Kontakt zu treten. Ich erinnere mich an wundervolle, nächtelange Gesprächen mit einem Griechen, mit einem Menschen aus Aserbaidschan. Ich erinnere mich an Kontakte mit Brasilianern, Portugiesen, an mein holpriges Portugiesisch, das mir heute, im Rückblick, damals doch trotz allem flüssiger oder sagen wir unverkrampfter gewesen zu sein scheint. Ich schrieb einfach drauf los. Ohne groß zu denken.

Alle diese Kontakte sind mittlerweile abgebrochen. Schon seit Jahren. Ich vermisse sie. Manchmal. Diese Anfangszeiten. Und manchmal, da frage ich mich, was ich eigentlich mit meiner Zeit angefangen habe, bevor es das Internet gab. Bevor es die Möglichkeit zur ständigen Kommunikation gab.

Ich erinnere mich daran, viel mehr gelesen zu haben. Früher. Seinerzeit. Heutzutage verbringe ich jeden Tag Stunden damit, mich teilweise mit dem letzten Informationsmüll aus dem Web zuzudröhnen. Mich davon loszueisen und stattdessen ein richtiges Buch zu lesen, fällt mir schwer. Dabei wäre damit die Zeit doch so viel sinnvoller gefüllt.

Singlebörsen. Ein viel bemühtes Thema hier in letzter Zeit. Seit 114 Tagen auch wieder ein viel zu aktiver Teil meines Lebens. Wie viel Zeit man dort mit völlig sinnfreier Kommunikation verbringen kann. Und im Grunde langweilt es mich. Im Grunde langweilen mich zwei Drittel der dort geschlossenen Kontakte. Selbst wenn sie es in meine MSN-Liste schaffe. Letztendlich ist das alles doch einfach nur hohl, langweilig, sinnlos.

In den 114 Tagen gab es zwei Menschen, die mich wirklich auf die eine oder andere Weise berührt haben. Zu beiden ist mittlerweile der Kontakt abgebrochen.

In den 114 Tagen gab es eine Handvoll Menschen, die mein Interesse geweckt haben. Und trotzdem war der Kontakt zu den wenigsten von Dauer. Eigentlich ist bis heute nur noch das Ding geblieben, zu dem so etwas wie ein regelmäßiger Kontakt besteht. Auch wenn wir zuletzt vor zwei Wochen miteinander sprachen.

Und trotzdem…Manchmal gibt es Momente, in denen möchte ich den neuen Zeitvertreib Singlebörse doch nicht missen. Denn manchmal stolpert man hier oder da doch über ein Profil, das einen auf die ein oder andere Art und Weise fesselt.

So geschah es gestern. Es war wie bei einem Autounfall. Schrecklich schockierend und man konnte trotzdem einfach nicht wegschauen. Ich kann es heute noch nicht.

Manchmal fragte man sich ja, was sich manche Menschen bei der Auswahl ihrer Profilbilder denken mögen. Natürlich weiß man mittlerweile als Frau, dass die Tiefe des Ausschnitts auf dem Profilbild in direktem Zusammenhang mit der Zahl der Zuschriften aus der Männerwelt steht. Aber was bringt Mann dazu Mr. Oktober-Unterwäschebilder von sich zu zeigen? Warum tut Mann das? Wenn sie dann wenigstens noch wirklich der Ästhetik von Kalenderbildern entsprächen…

Aber das gestern…Der Herr muss über ein unerschütterliches Selbstbewusstsein verfügen. Der modebewusste Mann von heute, der gerne zeigt, was er hat, tut das wohl heutzutage mit orangeroter Wollmütze, grauschwarzkarierten Pants und schwarzen Chucks. Wirklich stilecht bringt man das Ganze dann herüber, indem man die obligatorische Emo-Haarlocke unter der schicken orangeroten Mütze hervorschauen und das linke Auge damit komplett verdecken lässt. Und natürlich sind Frontalaufnahmen ein absolutes No-Go. Nein, der Blickwinkel muss natürlich von schräg oben kommen. Schnell noch ein Blick aufgesetzt, der irgendetwas wie „Ich-bin-so-geil-und-Ich-weiß-Du-Willst-mich“ ausdrückt und voilà: Fertig ist das perfekte Poserbild.

Es ist diese Kombination von allem, die mich fassungslos machte. Im Grunde könnte man auf dem Foto doch ein wirklich schmuckes Kerlchen bewundern. Aber warum präsentiert man sich dann so? Wie kommt man auf diese Idee? Ich würde es ja zu gerne hier posten, dieses Bild, denn so etwas sollte man einmal gesehen haben. Aber das geht nicht. Das kann ich nicht machen. Das dürfte ich vermutlich auch nicht machen. Aber ich würde es gerne tun. Diese Mischung aus kranker Faszination und Erheiterung, die mich befällt, wann immer ich dieses Bild anschaue, würde ich gerne mit euch teilen.

Na ja….Und trotzdem…Gehört dieses Profil in die Kategorie „eine Handvoll Menschen, die mich interessieren“. Vielleicht, vermutlich, weil mich der Herr an eine der beiden Personen erinnert, die mich in diesem Sommer berührten. Nur die Augenfarbe stimmt nicht. Gott, ich bin so erbärmlich. Diese Faszination für Look-A-Likes…An einem früheren Punkt meines Lebens durfte ich doch schon lernen, dass man das Original nun mal einfach nicht durch eine noch so perfekte optische Fälschung ersetzen kann.

Apropos: Gestern stellte ich überrascht fest, dass ich in diesem Jahr wieder nicht den Herr-F-Gedenktag aller Herr-F-Gedenktage zelebrierte. Schon im letzten Jahr habe ich ihn am Tag selbst vergessen. Aber da dachte ich in den Tagen vorher daran. Gestern dann fiel es mir eher zufällig auf, dass ja vor zehn Tagen der Tag der Tage war. Weder vorher noch hinterher hatte ich daran gedacht.

07. Oktober 2001. Moment des einzigen, des wahren, des perfekten Glücks, so nannte ich ihn einmal. Heute ist es zu weit weg. Es ist zu viel passiert, zu viel Zeit ist vergangen. Ich kann mich nicht mehr in die Stimmung von damals versetzen. Selbst wenn ich es wollte, es gelingt mir nicht, den Zauber wieder aufleben zu lassen.

Vielleicht ist das gut. Das Leben geht eben doch immer weiter und irgendwann finden vielleicht auch die unendlichsten Geschichten einmal doch zu einem Ende.

Vielleicht, vielleicht wird aber auch aktuell nur alles von viel schwerwiegenderen Gedanken überschattet, düsteren, schweren, ungesunden Gedanken, die sich kurzzeitig beiseiteschieben lassen, indem man sich mit aller Macht von lächerlich schockierenden Profilbildern faszinieren lässt.

Die Gabe, sich in unbedeutende Kleinigkeiten über alle Maßen hineinzusteigern, damit man kurzzeitig die wirklich bedrückenden Dinge vergessen kann, diese Gabe ist manchmal wirklich Gold wert.

Kommentare

23:02 19.10.2010
der erste teil, dem stimm ich voll zu. ob ich die singlebörsen auch mal ausprobieren sollte?
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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22:56 18.10.2010
Hm wenn wir jetzt hier bei Facebook wären, würde ich "Gefällt mir" klicken...
Du hast recht.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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2010-10-18 22:43