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Tagebuch c.
2011-05-18 23:47
Über das Für und Wider und falschen Stolz an falschen Stellen

Es ist schon irgendwie witzig. Für die Jobs, die ich wirklich will, bin ich unterqualifiziert, für die, die ich haben kann, überqualifiziert.

 

Entscheidungen sind immer noch nicht gefallen. Aber es ist ja auch noch nicht Ende der Woche.

 

Dafür hat sich heute in dem Gespräch eine Alternative aufgetan. Ich war locker. Entspannt. So locker und entspannt, wie man sein kann, wenn man den Job im Grunde nicht wirklich will.

 

Weil ich morgens nicht in die  Pötte kam, brach ich zwanzig Minuten später auf als geplant. Prompt landete ich natürlich auch im Stau und kam zwanzig Minuten zu spät zum Termin. Aber wen juckt das schon. Der Höflichkeit halber habe ich rechtzeitig Bescheid gesagt. Natürlich. Endlich angekommen hab ich den Verein nicht gefunden. Ist schlecht ausgeschildet, mitten auf dem Land. Aber auch das verursachte mir keinen Stress und keine Panikattacken.

 

Wahrscheinlich sollte man zu allen Gesprächen so locker und gelöst erscheinen. Wahrscheinlich wäre das der Sache förderlich.

 

„Sie sind ja schon eher sehr hoch qualifiziert für diese Stelle, warum haben Sie sich denn trotzdem beworben?“

 

Aus Verzweiflung. Aus Verzweiflung würde ich wohl auch annehmen.

 

„Von wegen, da tun wir halt tun.“ Das ist der Chef. Chefsprache.

 

Bewundernswert, wenn sich jemand so hoch arbeitet, sich wahrscheinlich seinen persönlichen Traum erfüllen kann. Der Chef. Heute privat krankenversichert. Eigene Firma. Nummer fünf in der Branche. Darauf kann man stolz sein.

 

Nicht, dass es das Lebensziel eines jeden sein muss, privat krankenversichert zu sein, nicht, dass das das Glück ausmachen würde, nicht dass das ein Zeichen für Erfolg ist. Ich meine nur, er hat wirklich etwas aus seinem Leben gemacht und hat sich etwas aufgebaut, worauf er stolz sein kann.

 

Er würde mich gerne in seinem Team sehen. Bis Freitag habe ich mir Bedenkzeit ausgebeten. Wie ich mich entscheiden werde, weiß ich noch nicht. Ehrlich nicht.

 

Gestern war ich noch sicher, dass ich auf jeden Fall annehme, wenn Bayern platzt. Um den Schwebezustand zu beenden. Wenigstens vorerst.

 

Aber das ist es, ein vorerst. Wieder nur eine vorrübergehende Lösung. Wobei, wahrscheinlich könnte ich sogar auch längerfristig dort bleiben. Aber eine Perspektive, eine richtige, ist das nicht.

 

Es geht um Support, Kundenbetreuung. Bestellannahme, Bearbeitung von Bestellungen, bisschen Buchhaltung, bisschen Post, bisschen hier, bisschen da, bisschen alles.

 

Eine Pro- und Kontraliste:

 

+ bessere finanzielle Lage. Besser als Callcenter. Beträge, mit denen man planen kann. Leben kann man von ihnen nicht, aber planen.

+ endlich raus aus der beschissen überteuerten privaten Versicherung.

+ finanzielle Entlastung für meine Eltern.

 

Derzeit werfen sie (wirft er) mir zwar nicht mehr vor, ihnen (ihm) nur auf der Tasche zu liegen, aber trotzdem, ich will es ja auch selber nicht mehr. Der wirklich große Versicherungsbetrag würde wegfallen und ich könnte locker meine Miete wenigstens selber tragen und würde noch ein bisschen Geld übrig behalten. Ich wäre den ganzen Tag unterwegs. Bis zu zwei Stunden Autofahrt täglich, auf dieser Arbeit dann von 08.30-18.00 Uhr. Ich dürfte mich zu mindestens als normal arbeitender Mensch fühlen, auch wenn der Verdienst dafür im Vergleich unterirdisch ist. (450 Euro sind geplant, 200 würde er für die Spritkosten noch mal drauflegen, der Chef, so wichtig ist ihm eine zügige Besetzung der Stelle.) Klar, es ist nicht die Welt, alles andere als das. Aber ich würde nicht mehr so in der Luft hängen, würde mich in vielen Punkten einfach besser fühlen, mit besserem Gewissen schlafen. Besser als das Callcenter ist es allemal, wo ich mich schon darauf gefasst mache, mit dem Maiverdienst den auch schon dem Aufwand unangemessenen Aprilverdienst noch mal zu unterbieten.

 

Es spricht schon einiges dafür, zuzusagen, wenn Bayern nichts wird. Aber Minuspunkte gibt es natürlich auch:

 

- Ich wäre für das nächste halbe Jahr auf diese Stelle festgelegt. Klar, natürlich gibt es überall und für alles auch Kündigungsfristen, die von beiden Seiten eingehalten werden müssen. Aber trotzdem, je nachdem, wenn sich doch etwas anderes ergeben würde, könnte es sein, dass sich das dann zerschlägt, weil ich nicht früh genug aus diesem Vertrag herauskomme.

- Es bringt mir für den Lebenslauf nicht wirklich etwas. Es hat nichts mit dem zu tun, was ich machen möchte, ich wäre in einem halben Jahr nicht besser qualifiziert als jetzt und würde in einem halben Jahr dann womöglich wieder genauso in der Luft hängen wie jetzt.

- Punkt drei geht in dieselbe Richtung. Ein Studium, mein Studium braucht‘s für diesen Job nicht. Ich entwickle mich nicht weiter. Vielleicht auch nicht gerade zurück, aber definitiv weiter, im Grunde trete ich damit, unter besseren Konditionen, dann auch nur auf der Stelle. Aber vielleicht gefällt es mir ja so gut, dass ich für immer bleiben möchte, wer weiß das schon.

- Nicht, dass ich meine freie Zeit wahnsinnig intensiv verplant hätte, aber mit den zwei Stunden Fahrtzeit jeden Tag  bleibt unter der Woche dann nicht mehr wirklich viel Zeit für mich übrig. So einen Aufwand sollte man vielleicht doch eher nur dann in Kauf nehmen, wenn der Gegenwert, den man bekommt, entsprechend hoch bemessen ist.

 

Ich weiß es auch nicht. Es ist nur einfach….ich habe Angst, zu stolz, zu sehr von mir selbst eingenommen zu sein. Vielleicht bin ich ja doch nicht so super qualifiziert, wie ich glaube. Dann hätte sich ja vielleicht auch schon mal was ergeben. Ich hab Angst, die Chancen, die ich bekomme, alle auszuschlagen, weil ich mich für zu gut für sie halte, so lange, bis gar keine Chancen mehr kommen oder die Angebote noch schlechter werden.

 

Aber auf der anderen Seite, es ist nicht wie im Callcenter. Dort kann ich von heute auf morgen aufhören, wenn ein besseres Angebot kommt. Einmal bei dem Termin von heute unterschrieben, wird das nicht mehr so einfach möglich sein.

 

Die Frage ist wohl einfach: Was ist in einem halben Jahr?

 

Eigentlich sollte man wohl eher darauf hinarbeiten, sich zu verbessern, sich zu qualifizieren, sollte Kontakte knüpfen, Netzwerke aufbauen, um weiter zu kommen.

 

Die Stelle von heute würde mich mit einem Schlag von einigen sehr elementaren Sorgen und Ängsten befreien. Aber im Grunde wäre es wohl so, als würde ich mein Leben auf „Hold“, auf „Pause“ stellen. Eine Übergangslösung, die irgendwo kein richtiger Übergang ist, weil es nichts gibt, was da wirklich bessere Voraussetzungen für ein „Danach“ schafft.

 

Es entspricht eigentlich in nichts meinen Wünschen und Vorstellungen.

 

Ich möchte immer noch weg von hier, möchte immer noch in meinem Wunschbereich Fuß fassen, möchte Großstadtleben leben.

 

Stattdessen würde ich mitten auf dem Land landen, in Betrieb mit vielleicht knapp fünfzehn Mitarbeitern in einer Branche, mit der ich im Grunde nichts am Hut habe. Bürobetreuung eines Versandhandels…hat mit dem, was ich tun will, ja nun nicht wirklich was zu tun.

 

Andererseits, da fürchte ich wirklich, dass ich meine Nase doch viel zu hoch trage. Zeit vom hohen Ross zu steigen. Irgendwann muss man den Tatsachen ins Auge sehen. Es gibt Schlimmeres. Und im Vergleich zum Callcenter wäre es doch ein Schritt nach vorne. Ja, im Vergleich dazu wirkt wohl vieles wie ein wahrhaft kometenhafter Aufstieg.

 

Mein Dad ist gegen den Job. Meine Ma auch, denke ich, obwohl ich mit ihr noch nicht gesprochen habe.

 

Aber ewig kann ich ja schließlich auch nicht warten, bis sich mal irgendwann möglicherweise doch noch etwas Besseres ergibt.

 

Wer weiß, vielleicht kommt ja, entgegen aller Erwartungen, doch noch ein „Ja“ aus Bayern. (Bei der Gelegenheit vielen, vielen Dank an alle Daumendrücker….) Dann sind diese Überlegungen eh hinfällig. Das wäre die Ideallösung. Aber wo gibt es schon noch Ideallösungen?

 

 

 

 

 

Kommentare


unbekannt
09:48 19.05.2011
Man, ich hoffe, dass das noch was wird bei dir; kann doch nicht "ewig" so laufen! *drückdich*

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2011-05-18 23:47