Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre...
Eine niedrige Erwartungshaltung ist kein Schutz. Vielleicht bewahrt sie vor einem niederschmetternden Erlebnis, dass uns gebrochen, verzweifelt und verloren in einer Ecke zurück lässt. Vor der Enttäuschung an sich kann sie aber nicht bewahren. Ich durchlebe alle nur möglichen Worse-Case-Szenarien, versuche mich auf den Moment vorzubereiten, um stolz und angemessen reagieren zu können. Kopf hoch und die Miene einer Eisprinzessin. Nur nicht zeigen, wie es in dir aussieht. Dein letzter Triumph.
Er weiß nicht, was er angerichtet hat und ich liege nicht gebrochen am Boden. Ich bin die Siegerin, die Überlegene, ich habe Recht behalten und dennoch bin ich enttäuscht. Eine niedrige Erwartungshaltung hin oder her, ich wünsche mir eine Überraschung. Ich wünsche mir, dass es einmal jemanden gibt, der nicht meinem Schema entspricht und kein Worse-Case-Verhaltensplan auslöst. Ich wünsche mir, dass ich einmal da stehe, mit offenen Mund, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, weil jemand aus der Reihe tanzt. Weil sich jemand nicht in meine Erwartungshaltung fügt, sondern sie übertrifft.
In diesem Fall wäre ich sprachlos.
Ich treffe mich mit Gordi und wir führen wirklich gute Gespräche. Ich fühle mich wohl, lache. Es ist einer jener Abende bei welchem einem das Herz aufgeht. Ich habe mich oft mit ihm gestritten, war lange Zeit böse auf ihn, aber wir sind in der Lage darüber hinweg zu kommen. Unsere Freundschaft ist stark genug, wir sind stark genug. Aber Stärke alleine reicht nicht aus, man braucht mehr, um seine Energie in Freundschaften zu stecken, die verloren zu sein scheinen.
Ich denke nicht mehr an Chris, wohl aber an die Situation. Es geht hier schließlich nicht nur um ihn. Es geht auch um Andi und Michi. Ich würde sie alle nicht von meiner Schwelle schubsen. Sie sind symbolisch. Symbolisch für die Männer bei welchen ich mich immer am wohlsten gefühlt habe. Ich möchte sie nicht zurück, aber ich möchte etwas gleichwertiges.
Wobei das ja so nicht ganz stimmt. Ich glaube, ich würde Andi zurückwollen, wenn wir in eine dementsprechende Situation kämen und ich wollte ja auch Chris zurück. Er hat die Tür zugeschlagen, einen anderen Weg gewählt und ich habe eine Mauer errichtet.
"Weißt du, wenn ich jetzt keine Freundin hätte, dann würde ich uns schon lange eine zweite Chance geben. Aber ich habe eine Freundin und momentan liebe ich sie einfach mehr."
Es ist ein bisschen gemein. Gemein und schwer. Schwer, weil er sie betrügt. Ich verliere gegen eine Frau, die er derart behandelt. Aber "Liebe nennt keine Gründe". Gemein ist es, weil es einfach gemein ist derartiges zu sagen. Wenn das Wörtchen wenn nicht wäre, bla bla bla.
Ich weine ihm auf jeden Fall nicht hinterher. Nicht nach so einem Satz.
Soll er doch glücklich werden mit seiner Tussi, die mindestens zwanzig Kilo mehr auf die Waage bringt als ich, die niemand leiden kann und die keine Freunde hat. Ja, soll er doch glücklich werden...
Ich drehe mich um und gehe.

Alles kann warten,
nur die Liebe nicht.
Wer die Liebe warten lässt,
beleidigt den wichtigsten Gast seines Lebens
und sieht ihn
nie wieder.


Ich bin einfach ein Fan von Sprüchen!