Stummer Schrei
Also, hm, ich hab keine Ahnung was zur Zeit mit mir los ist! Ich kann in der Nacht mal überhaupt nicht schlafen, am Tag fehlt mir dann die Energie für alles. Ich lebe von Kaffee und sitze meist den ganzen Tag an meiner Facharbeit. Das heißt, gestern hab ich zusätzlich noch geputzt.
Manuel hat mich gestern angerufen, nach der Beerdigung, die seiner Meinung nach "wunderschön" war. Ich denke an Stefan, ich denke an meinen Opa, in meiner Erinnerung sind Beerdigungen nur "heftig". Vielleicht hilft es ihm, sich daran festzuhalten, dass der Abschied von seiner Mutter eben "wunderschön" gestaltet war. Am Abend geht er mit einem Freund Billiard spielen, für mich irritierend. Ich frage mich, wie er nach der Beerdigung seiner Mutter, Billiard spielen gehen kann? Ich habe mich Tagelang verkrochen...
Aber vielleicht liegt genau hier mein Fehler. Ich bin ein Mädchen, vielleicht trauern Frauen anders! Außerdem sind wir zwei völlig verschiedene Menschen. Meine Geschwister haben auch anders getrauert, wie ich, sie haben zum Beispiel ein ganzes Erinnerungsalbum über meinen Opa zusammengestellt. So etwas war mir nie in den SInn gekommen, ja, ich hatte gar nicht die Kraft dazu.
Also akzeptiere ich einfach, dass wir verschieden reagieren und wundere mich nicht mehr über sein Verhalten.

Besser schlafen kann ich natürlich immer noch nicht, denn das hängt zwar meiner Meinung nach, mit ihm zusammen, aber nicht mit dem Tod seiner Mutter. Irgendetwas beschäftigt mich, irgendwelche Zweifel spuken mir durch den Kopf. Also stelle ich mir die Frage, vor was ich Angst habe, was mir nicht passt?
Und eigentlich finde ich nichts.
Aber ok, um der Ehrlichkeit willen gebe ich zu, dass das nicht so ganz stimmt. Da ist etwas, ein leichtes Unwohlsein bei Gesprächen, wenn es um meine Vergangenheit geht. All die negativen Dinge, die ich ihm zwar nicht auf die Nase gebunden habe und auch nicht binden werde, die aber als relativ offensichtliche Geheimnisse zwischen uns schweben. Und Tatsache ist, dass ich das Gefühl habe, dass er dies alles nicht ernst nimmt, mich nicht ganz für voll, wenn ich ihm versuche zu erzählen, warum ich heute so bin, wie ich bin!

Und das deprimiert mich, das beschäftigt mich. Also kann ich nicht schlafen, als Folge des Schlafmangels geht es mir schlecht. Ich verschließe mich, bin stumm und ich nähere mich diesem Loch, so tief und schwarz. Ich schreie nach Hilfe, aber niemand hört mich, denn niemand ahnt, in welcher Situation ich mich gerade befinde.

Für viele klingt das jetzt vielleicht melodramatisch, viele denken, ich steigere mich da in etwas hinein. Tatsache ist aber, dass ich mich schlecht fühle, es mir immer schlechter geht. Die Freude, die ich vor ein paar Tagen noch empfunden habe, ist verschwunden, ein Teil der Vergangenheit, nur noch eine Ahnung. Ich esse weniger. ich denke über Dinge nach, die ich eigentlich ruhen lassen sollte. Ich denke, wie ein Feigling!
Und obwohl ich das weiß, kann ich nicht davon lassen, einfach weil der Grund meines "Unwohlseins" immer noch vorhanden ist, nicht weichen will. Er hört mir nicht zu, er versteht mich nicht. Er belächelt Dinge, die ich ihm erzähle, die in mir drinnen noch immer eisige Kälte verursachen. Ich habe das Gefühl er missversteht und ich stehe daneben, meine Lippen verschlossen, unfähig zu erklären, richtig zu stellen, weil mich seine Reaktion, über diese wichtigen Dinge meines Lebens, sprachlos macht.