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Tagebuch Bunny_Hop
2007-08-12 19:20
Mirabellenschnaps
Im Auto ist es warm, draußen ist es kalt und eine beinahe undurchdringliche Dunstglocke verhüllt den Berg. Nieselregen. Kapuzen auf, Rucksack umgeschnallt und los gehts zum Bergasthof.
Hüttengaudi, die Zweite.
Der Aufstieg dauert nicht lange, aber oben angekommen sind wir nass und ich bin fertig. Der schnelle Übergang von warmer zu kalter Luft hat einen kleinen Asthmaanfall verursacht und kurzatmig läuft es sich nun einmal nicht ganz so entspannt. Oben angekommen werde ich von meinem "Schatzi" erwartet. Er blickt uns griesgrämig entgegen (denn wir sind ein wenig zu spät) und die Begrüßung ist, wie soll ich sagen, seiner Laune entsprechend. Das bestellte und angekündigte Doppelzimmer ist dann ein Vierer-Zimmer mit Stockbetten und ich teile es mit ihm und zwei mir wildfremden Österreicherinnen. Zu allem Überfluss haben die beiden auch noch die oberen Betten belegt und mein toller Mann hat natürlich vergessen, dass ich aufgrund einer leicht klaustrophobischen Neigung lieber oben schlafe...
Desweiteren hat er, wie ich bald darauf feststelle, wohl auch vergessen, dass ich was Fleisch anbelangt ein klein wenig speziell bin. Ich ernähre mich nicht vegetarisch, aber knorpeliges und knochiges Fleisch geht wirklich gar nicht. Die Platte, die man auf dem Tisch anrichtet ist voller durchwachsener Steaks und Knochen zum Abnagen.
Entgegen Eves und ehrlicherweise auch meinen Erwartungen entwickelt sich der Abend aber noch ganz positiv. Uno-Runden lockern den Umgangston und der Alkohol tut sein übriges. Mein neuer Favorite: Russn-Maß mit einem doppelten Mirabellenschnaps. Ich weiß, dass klingt irgendwie alles andere als lecker und sehr ungewöhnlich, aber der Schnaps überdeckt den typischen Biergeschmack ohne einen besonders harten Eigengeschmack zu hinterlassen. Ein Frauengetränk und by the way unser neues Sommergetränk.
Toby trinkt keinen Alkohol, ich glaube, dass hatte ich schon einmal erwähnt. Dumm, dass ihm der Wirt zwei doppelte hinstellt und so etwas kann man natürlich nicht abschlagen. Ich mag keine Spielchen und die Leute akzeptieren das, aber die Leute akzeptieren es meistens nicht, wenn jemand keinen Alkohol trinkt und sich von der kompletten Gruppe distanziert. Toby verschwindet, setzt sich alleine auf die Terrasse und ja ich glaube, er schmollt. Weil ich nicht an seiner Seite klebe, weil wir zu spät gekommen sind und vor allem, weil ihn natürlich jeder zum Mittrinken animieren möchte. Am schlimmsten aber ist wohl, dass er gegen seinen Willen zwei Schnäpse trinken musste. Während das Uno-Spiel immer lustiger, die Runde immer lauter und ich immer munterer werde, läuft das bei Toby irgendwie anders herum. Um Mitternacht wünscht er mir eine gute Nacht und geht schlafen. Ich folge ihm nicht. Gemein, fies... Was auch immer! Am meisten wohl egoistisch, denn ich sehe nicht ein, warum ich einen wunderschönen, netten Abend beenden soll nur weil er keine Lust mehr hat.
Vergangene Woche hat er mich als Außenseiterin bezeichnet, weil ich bei Spielchen so gar nicht mit dem Strom schwimme und mich meist einfach nur weigere. Sing-star, Karaoke und irgendwelche anderen Spiele bei denen man sich lächerlich machen muss, sind einfach nicht so mein Ding. Gestern war Toby der Außenseiter. Alle fragen mich was los ist und ich habe keine Antwort, dafür aber einen Beweis. Den Beweis dafür, dass wir wirklich zwei völlig verschiedene Vorstellungen von einem netten Abend haben. Eine Nachtwanderung und ein paar wirklich abartig eklige Ramazottis später liege ich im Matrazenlager mit den zehn anderen aus unserer Gruppe. Toby schläft mit den beiden Österreicherinnen in seinem Vierer-Zimmer. Im Lager ist alles super witzig und ich fühle mich verdammt wohl. Um fünf Uhr morgens wache ich auf, weil mich der Kerl neben mir beinahe zerquetscht. Ich beschließe in unser Pseudo-Doppelzimmer zu gehen, dass ich im Grunde meines Herzens wahnsinnig lächerlich und vor allem überflüssig finde. Ich fahre mit Freunden auf eine Hütte, um Zeit mit eben diesen zu verbringen und nicht um einen Pärchenabend zu verleben und mich zu distanzieren. Wie sooft war dies aber ein Detail bei welchem meine Meinung nicht erfragt wurde. Ganz egal, denn das Doppelzimmer ist ja nun kein Doppelzimmer mehr. Alles schläft, aber ich kann nicht mehr schlafen. In der Früh wünscht er mir einen guten Morgen, redet aber ansonsten kein Wort mit mir und sieht mich vor allem nicht an. Fein, dass Ignorierspiel beherrsche ich gut. Alles in allem finde ich das Ganze aber ein klein wenig traurig. Ich meine, wer hätte vor drei Monaten gedacht, dass wir so verschieden, die Differenzen so groß seien würden? Wer hätte geahnt, dass er eine derartige Enttäuschung sein wird? Dennoch, ich bin nicht die einzige Enttäuschte, denn ich bin mir sicher auch er ist enttäuscht. Ich bin ganz offensichtlich nicht das, was er sich vorgestellt hat. Das ganze Wochenende war nicht so, wie er es sich vorgestellt hat. Er, der Anti-Alkoholiker, der Kindergarten-Spielchen liebt und sie insgeheim Olympiadenmäßig für diesen Hüttenausflug geplant hatte und seine Freunde, die er in der Früh als "Scheiß Freunde" bezeichnet, weil sie nicht mit ihm gespielt, ihn dafür aber zum Trinken "gezwungen" haben. Ich steige früh mit Eve ab und während wir so wandern muss ich feststellen, dass es einige Dinge gibt, die ich vermissen werde. Nicht ihn, nicht seine Gesellschaft, aber seine Freunde, die eigentlich so ganz anders sind wie er. Nette, aufgeschlossene, feierlustige Menschen mit ähnlichen Vorstellungen von einem perfekten Hüttenabend.
Der Weg nach unten ist schneller bewältigt, aber nicht gerade gut für den Magen. Die Fahrt von der Mittelstation mit unzähligen Kehren und Bodenwellen ist fatal und mir passiert das, was mir eigentlich noch nie passiert ist.
"Eve fahr bitte mal rechts ran.... JETZT!"
Ich verabschiede mich von meinem Frühstück und irgendwie auch von Toby, denn ich glaube nicht, dass er sich noch einmal melden wird und wenn er sich melden sollte, dann wird es wohl wirklich einmal Zeit, dass ich Klartext spreche. Ich war am Anfang voller Hoffnung und zuversichtlich, aber heute (oder seit Wochen) bin ich nicht mehr so optimistisch. Er entspricht so ganz und gar nicht meinem Bild von Mann und wird ihm leider auch niemals entsprechen. Toby ist einfach zu eigen und eigen ist in diesem Fall die Untertreibung des Jahrhunderts und in keinem Fall als Kompliment gedacht. In meinen Augen ist er ein Mensch, der in sich selbst einen perfekten Menschen sieht, dem es in jeder Weise an der Fähigkeit mangelt sich in andere Menschen hineinzuversetzen und zu aktzeptieren, dass jemand anders ist. Anders denkt, anderes bevorzugt und möchte. Er ist nicht das Maß der Dinge und nicht immer sind die anderen diejenigen die "anders" sind. Leider hat Toby das noch nicht begriffen.

Tags

leben 

Kommentare

02:13 13.08.2007
schade. um das frühstück.
ja und auch um die verschwendete zeit mit toby, aber durch deinen speziellen beschreibungsstil hat(te?) diese begegnung der besonderen art doch einen durchaus akzeptablen unterhaltungswert
Good luck!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
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