Five more days
Der Countdown läuft. Am Freitag war es noch genau eine Woche, gestern sechs Tage und heute nur noch fünf. Fünf Tage bis zu meinem Umzug. Fünf Tage bis zum Count Zero.
Mir wird schon schlecht, wenn ich nur daran denke. Ich sollte packen, aber irgendwie räume ich die Dinge nur von A nach B. Ich habe ja noch Zeit, ist meine Entschuldigung, doch sie wird von Tag zu Tag dürftiger, unzutreffender.
Gestern habe ich einen Großteil meiner Kommilitonen kennengelernt. Eigentlich sollte es mir nun besser gehen, da ich nun weiß mit wem ich die nächsten Monate verbringen werde... Würde es auch, wenn die Leute nicht so komisch wären. Sie sind alle anders als erwartet. Der gleiche Job, dieselben Anforderungen. Irgendwie meint man doch, dass es deshalb mehr Ähnlichkeiten geben sollte. Regionale Unterschiede, Dialekte. Ich hoffe das färbt nicht ab. Ganz zu Schweigen von den Charakteren. Ich frage mich, wie sie in das Jobprofil passen. Extrovertiertheit und Offenheit ist gefordert, aber als wir zusammen am Tisch sitzen schweigen und starren sich alle nur an. Ich ergreife die Initiative und das gefällt mir nicht. Ich wollte mich treiben lassen, untergehen.
Nordlichter, lauter Nordlichter. Ich bin so ungefähr die einzige, die den Süden vertritt. Normalerweise finde ich das ja nicht problematisch, aber wie soll ich sagen... Es gibt so Leute...
"Was? Du hast noch nie ein Kölsch getrunken?"
"Ähem nein! Bei uns trinkt man ein Weißbier, Helles, Radler, Russn-Maß!"
"Wie gibt´s denn so was." Sie schüttelt den Kopf, als wäre es etwas schreckliches, unverzeihliches. "Was ist ein Russn?"
Vielleicht ist es vorschnell, aber ich mag sie nicht.
Nur noch fünf Tage und dann werde ich mit diesen 25 Menschen täglich sechs bis acht Stunden verbringen. Ich hoffe der erste Eindruck ist trügerisch.
Chris´s Freundin ist nun wieder da und somit findet eine neuerliches Intermezzo sein Ende. Wir werden sporadisch über den Messenger Kontakt halten, aber uns nicht mehr vorsätzlich verabreden und wahrscheinlich auch keine ausführlicheren Gespräche führen. Für die nächsten drei Monate oder vier. Wer weiß das schon? Vielleicht sind es ja wie beim letzten Mal auch sechs oder sieben.
Davor führen wir aber noch ein ernstes Gespräch. Ein letztes, zum Abschied.
"Ich liebe sie, frage mich dennoch beinahe täglich, ob es ein Fehler war dich gehen zu lassen... Bla bla bla. Du warst das einzige Mädchen, dass ich nicht betrogen habe und das gibt mir zu denken, beunruhigt mich."
Eigentlich möchte ich dieses Gespräch nicht führen. Ich weiß bereits, dass er mich nicht liebt und ich weiß, dass er sich wohl niemals gegen sie und für mich entscheiden wird. Alles andere ist unwichtig, nur Geschwätz. Die Warmhalte-Taktik. "Eigentlich kann ich mir gut vorstellen, dass du die Frau fürs Leben bist, aber jetzt gerade... Bla bla bla." Ich kann es echt nicht mehr hören.
Er fragt mich, ob ich einmal etwas mit Michi hatte. Warum ihn das interessiert, keine Ahnung? Ich erzähle ihm genug von der Wahrheit um glaubhaft zu wirken, halte aber das Wesentliche zurück. Wenn es nach Chris geht, hatte ich niemals etwas sexuelles mit Michi. Es geht ihn schließlich auch einfach nichts an.
"In einer Hinsicht sind der Michi und ich uns gleich. Wir können nicht treu sein!", stellt Chris fest.
Ja, das habe ich auch schon festgestellt, kann ich nur zu gut bezeugen. Dennoch bin ich mir sowohl bei Chris, als auch bei Michi sicher, dass sie mich während unseres Beisammenseins niemals betrogen haben. Der Gedanke sollte mich erleichtern, stattdessen beschert er mir Übelkeit.
Was sagt das schon über mich, sie und unsere Beziehungen zueinander aus?