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Tagebuch Bunny_Hop
2006-02-28 15:39
Der Typ A Mann
"Du bist ein viel beschäftigter Mann."
"Stimmt, auch wenn ich oft selbst nicht so genau weiß warum."
Du streichst über seinen Arm, dein Kinn in deine Hand gestützt, er liegt neben dir, die Augen geschlossen. Ob er die Nähe, den Moment genießt oder einfach nur müde ist?
"Du willst alles," stellst du fest und bist einen Moment von dir selbst überrascht.
Er schweigt, aber nur für einen Augenblick, denkt über das von dir gesagte nach. "Stimmt," wieder Stille. "Mein Gott ja, das stimmt, dass habe ich noch nie so gesehen, aber du hast Recht."
Ein Lächeln in seinem Gesicht, er findet es wirklich gut endlich zu wissen, was hinter seinem Verhalten steckt, auch wenn er nicht versteht, dass er sich selbst damit nicht gerade in das beste Licht rückt.
"Ich wollte auch einmal alles," entgegnest du und in Gedanken gehst du ein paar Jahre zurück, erblickst ein kleines, eifriges Mädchen.
"Und jetzt willst du nicht mehr alles?" Er sagt es, als wäre es schlimm, als würdest du dich unter deinem Wert verkaufen, als wärest du ein zielloser Mensch ohne Wünsche und Träume.
"Weißt du," für einen Moment hältst du inne, denn es überwältigt dich, dass alles auf einmal so klar ist. "Früher habe ich geturnt, voltigiert und Judo gemacht, alles gleichzeitig, ich wollte überall gut sein. Aber das geht nicht, man kann nicht alles gut machen. Und so habe ich aufgehört zu turnen, habe aufgehört zu voltigieren und habe mich auf das Judo konzentriert. Irgendwann habe ich herausgefunden, dass Judo auch nichts für mich ist, aber das tut nichts zur Sache. Schau dir meine Schwestern an, sie beide haben sich ganz und gar für den einen Sport entschieden und schau wo sie jetzt sind."
Er sagt nichts dazu, aber was soll er auch sagen, er ist ein Typ A Mann. "Ich will auf folgendes hinaus, ich wollte alles, aber man kann nicht alles gut machen und so habe ich für mich entschieden, dass ich mich auf die Dinge konzentriere, die mir am wichtigsten erscheinen. In diesen Dingen bin ich nun richtig gut, mir war das wichtiger als viele Sachen gleichzeitig zu machen, alles zu wollen. Denn irgendetwas kommt immer zu kurz."
Er denkt nun an die Schule, die Familie, die bei ihm gleichermaßen zu kurz kommen, er ist ein schlechter Schüler. Du denkst an die Liebe, die Erfüllung in einer Beziehung, die er niemals erfahren wird.
"Du gehörst zum Typ A und ich bin ganz offensichtlich ein Typ B, man muss sich fragen, ob das nun kompatibel ist!"
"Geht es jetzt wieder um die Prioritätenliste?"
"Nein," erwiderst du. "Den ganz offensichtlich gibt es bei dir keine richtige Prioritätenliste. Du willst alles, Prioritäten offenbaren sich bei dir nur in der Zeit, welche du für irgendwelche Aktivitäten veranschlagst. Alles hat seinen Rahmen und seinen Platz."
"Stimmt, sonst würde es ja nicht funktionieren."
Funktioniert es, fragst du dich und bist schon nahe daran, die Frage laut zu stellen, doch dann fällt dir ein, dass du ein Typ B bist und mehr willst, für ihn ist es anscheinend wirklich ausreichend.
"Weißt du was unser Problem ist? Wir haben zwei völlig verschiedene Ansichten von Beziehungen," stellst du fest. "Dir genügt es, wie es ist. Zeit mit mir zu verbringen, wann es dein Rahmen eben zulässt. Ich möchte mehr, ich möchte Spontaneität, ich möchte Liebe, ich möchte jemanden der für mich da ist, für den ich da sein darf."
"Bin ich nicht für dich da?"
"Selbstverständlich und zwar dann, wenn es in deinen Zeitplan passt. Das heißt, wenn die Zeit sowieso für mich reserviert war. Tatsache ist, wenn in meinem Leben etwas passieren würde, du wärest der letzte den ich anrufen und um Hilfe bitten würde." Traurig, stellst du fest, traurig aber absolut ehrlich und wahr. Er sagt nichts dazu, ist nicht gekränkt, überhaupt nichts. Seltsamerweise spürst du in diesem Moment nichts, obwohl dies doch der Moment ist, in dem du erkennen musst, dass ihr beide nicht zusammen passt. Dennoch fragst du nach, willst es von ihm hören.
"Es stimmt doch, oder? Wenn irgendetwas passieren würde und du eine Verabredung hättest, würdest du diese dann absagen, zu mir kommen, für mich da sein?"
Er wartet nicht einen Moment mit der Antwort. "Nein, ich bin ein Mensch der Verabredungen einhält."
Du fragst dich, warum di einfach ruhig neben ihm liegen bleibst, weiter seinen Arm streichelst? Du fragst dich, warum dir keine Tränen der Enttäuschung in die Augen treten? Du bleibst ganz ruhig, eine leichte Trauer macht sich in dir breit. Bedauern um dich selbst, weil du ihn sehr gerne magst, Trauer um ihn, weil er etwas einzigartiges ausschließt, nicht zulässt.
Und so hebst du deinen Kopf und drückst ihm einen Kuss auf die Lippen. Ob er jemals an diesen Moment zurückdenken wird und erkennt, was für eine Scheiße er da von sich gegeben hat? Ob er erkennt, was für ein Egoist er in diesem Moment und vielleicht schon sein ganzes Leben lang war?
Du kuschelst dich an ihn und versuchst die Kälte in deinem Inneren zu bezwingen. Du wirst dich nicht sofort von ihm trennen, er bekommt seine Chance. In deinem Inneren weißt du aber bereits, dass er sie nicht ergreifen wird, niemals.
Seltsamerweise empfindest du dabei nichts außer Bedauern, da ist kein Herzschmerz, kein Seelenleid, keine Trübsinnigkeit. Du hoffst das es so bleiben wird!

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leben 

Kommentare

17:19 28.02.2006
ich stelle immer wieder fest, dass wir uns für entscheidungen manchmal/oft viel zu lange zeit lassen. er hätte von dir keinen kuss mehr bekommen sollen. er hätte dein kuscheln nicht mehr spüren dürfen. er hätte keine chance mehr bekommen dürfen.
sofort aufstehen und gehen, dann hätte er sicher verstanden.
aber wer kann das schon???
ich wünsche dir, dass dir deine erinnerungen im heute und morgen helfen, es künftig besser zu machen.
Good luck! :)
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2006-02-28 15:39