Bad Taste
Die Stimmung ist ein bisschen reserviert, zurückhaltend. Die Nähe, die Vetrautheit, die normalerweise immer zwischen uns war, nicht da. Wir schauen uns einen Film an, wir küssen uns und wir reden. Hide and Seek, ein komischer Film, so vorherrsehbar, so abgedreht. Gespräche über Gordi, weil ihn seine Exfreundin schon auf den neuesten Stand gebracht hat. Seine Exfreundin, die mit meinem Ex-Italiener zusammen ist. Unsere kleine Welt! Später gehen wir in sein Zimmer und landen im Bett. Erstens, weil ich eigentlich schon den ganzen Abend in der Stimmung dafür war und zweitens, weil es wohl nichts besseres gibt, um jene Zurückhaltung, Reserviertheit zu vertreiben.
Danach liegen wir da, beide erschöpft, beide zufrieden und ohne jede Zurückhaltung.
Wir reden über das Studium und davon, dass ich bereit dazu bin in einer anderen Stadt zu studieren, auch wenn ich das mittlerweile ein bisschen anzweifle. Hier sind meine Wurzeln, meine Leute, meine Arbeit.
Ich weise ihn daraufhin, dass es aber das gescheiteste wäre. Neue Leute, neue Männer, ein ganz neuer Kreis. Als ich die Männer erwähne wird er hellhörig und schaut mich ein bisschen finster an. Jaja, die alte Leier! Man will sich nicht binden, aber stellt dennoch gewisse Ansprüche! An dieser Stelle gebe ich zu, dass ich die Männer natürlich mit voller Absicht erwähnt habe. Erstens, weil ihm die Sache mit dem kleinen Kreis selbst schon aufgefallen ist und zweitens, weil ich eine Reaktion erzwingen wollte. Irgendeine!
Wir reden darüber, dass derzeit keine Partys in unserer Umgebung sind und er stimmt mir zu. Ich meine, dass es vielleicht auch gut ist, weil es sicher komisch wäre sich auf einer Party zu begegnen. Er stimmt mir wieder zu! Es wäre schon komisch, aber ich frage mich wie komisch er es wirklich machen würde! Würde er mich komplett ignorieren, um keinen Verdacht zu erregen?
Alles in allem vergeht der Abend, die Nacht und auch der Morgen recht still. Wir reden und wir schweigen gemeinsam und auch wenn es sich um kein unangenehmes Schweigen handelt, so ist die ganze Situation doch bezeichnend. Denn ich kann mir plötzlich so gar nicht mehr vorstellen, dass diese Affäre weiter geht. Ich meine, der Sex ist toll und ich mag ihn, aber die ganze Geschichte ist so halbherzig!
Keine Zugeständnisse, keine Gespräche, die in Erinnerung bleiben und kein Hinweis darauf, wie er wirklich über mich, über uns denkt.
Und das ist mir wichtig! Ich brauche gewisse Zugeständnisse und sei es nur die Ansage, dass es derzeit außer mir niemand anderen gibt. Ich brauche Gespräche, die in Erinnerung bleiben, weil mir rein körperliche Beziehungen nicht genügen. Ich brauche einen Hinweis, wie er über mich denkt, weil ich nicht x-beliebig sein möchte. Ich weiß, dass er dazu in der Lage wäre, ich weiß, dass Gespräche von jener Sorte zwischen uns möglich wären. Dennoch bleibt die Sache zwischen uns halbherzig und die Gespräche sind gespickt von teilweise beleidigenden Bemerkungen, die in erster Linie wohl dazu da sind auf Abstand zu halten. Und weil es so ist, wie es ist und weil die Absicht aber so durchschaubar ist, frage ich mich, wer von uns beiden derjenige ist, der Angst hat. Angst vor Zugeständnissen, weil man das Gefühl hat, dass eigene Gefühle nicht erwidert werden! Angst vor Zugeständnissen, weil man das Gefühl hat, dass sich die eigenen Bedürfnisse nicht mit denen des Gegenübers decken. Also beleidigen wir uns weiter, bauen unsichtbare Mauern und berühren uns auf eine Art und Weise, die alle Beleidigungen anzweifelt, aber immer wieder neue verursacht.
In der Früh verschwindet er für mindestens 20 Minuten im Badezimmer, ich höre das Wasser der Dusche und ich frage mich, warum er nicht sagen kann "Hey ich geh kurz duschen!", anstatt einfach zu verschwinden! Aber das ist nur eine Ebene des Spieles, dass sich unsere Affäre nennt.
Wir verabschieden uns, schauen uns an und ich kann nur zu gut sehen, wie er es jetzt in seinen Gedanken abwägt. Soll ich oder soll ich nicht? Am Ende trennen wir uns jedoch ohne einen Kuss, ohne eine letzte Berührung und nur mit der Ansage: "Wir telefonieren!"
Im ersten Moment freue ich mich darüber, schließlich lief unsere Kommunikation bisher über unpersönliche SMS. Aber mein zweiter Gedanke ist, dass ich gewisse Aussagen vielleicht nicht allzu wörtlich nehmen sollte. Telefonate und SMS, fast dasselbe! Außerdem hat er schließlich nicht gesagt, wann wir telefonieren und das ist die wirklich degradierendste Ebene unserer Affäre. Die "Ich muss mir erst noch durch den Kopf gehen lassen, ob ich noch mal Bock auf dich habe"- Ebene.
Er fährt nach Hause und morgen fährt er auf seine Hütte zum Skifahren und ja wer weiß, vielleicht war dies das Ende unserer Affäre. Und wer weiß, vielleicht wäre das auch besser so! Denn so schön gewisse Dinge auch sein möchten, die ständigen Beleidigungen, dummen Sprüche und das "ich benütz dich nur" Verhalten hinterlassen einen bitteren Beigeschmack.
Im übrigen muss ich an dieser Stelle mal erwähnen, dass diese ganzen Dinge ja von beiden Seiten kommen. Ich beleidige ihn genauso, wie er mich beleidigt! Ich könnte damit aufhören, ich sollte damit aufhören, aber das wäre ein Zugeständnis oder nicht?