Allerheiligen
Es regnet und zum ersten Mal scheint das Wetter zu dem Anlass zu passen. Ich stehe an Stefans Grab, Alex neben mir, meine Familie. Wir warten auf den Pfarrer, der das Grab segnet. Die anderen unterhalten sich und auch ich führe eine Unterhaltung. Stumm, in Gedanken mit Stefan.
Ich sehe sein Gesicht vor mir, seine blauen Augen und auch meine. Er legt einen Arm um meine Schultern und ich fühle wie mich Wärme durchdringt.
"Gehts dir gut, kleine Schwester?" Er lacht und seine Stimme klingt neckisch, doch es steckt Besorgnis dahinter und die Aufforderung ihm mein Herz auszuschütten.
Ich schlucke, das ist nicht Realität, doch ich bin nicht bereit dieses Bild aufzugeben. "Ich vermisse dich", flüstere ich leise.
"Ich bin immer bei dir, kein Grund mich zu vermissen." Mein Lachen klingt bitter und aus den Augenwinkeln sehe ich seinen ausdruckslosen Blick.
"Ich habe jemanden neuen kennen gelernt."
"Ich weiß!", entgegnet er.

Der Geruch von Weihrauch steigt mir in die Nase, der Pfarrer ist auf dem Weg zu uns und ich tauche auf aus meiner Scheinwelt. Vor mir das große Familiengrab, schwarze Erde, bunte Blumen, ein Lichtermeer.
Die anderen reden darüber, dass sich das Grab so sehr abgesenkt hat, dass der Sarg jetzt wohl eingebrochen ist.
Unwillkürlich steigt ein Bild von Stefan vor meinen Augen auf, ich sehe ihn, in seinen Sarg, dessen Holzplanken nun direkt auf seinem Körper aufliegen, ihn zerquetschen.
Mein Herz zieht sich zusammen, ich bekomme keine Luft mehr, ein Schluchzen steigt in meiner Kehle auf, gleichzeitig mit der Übelkeit, die durch das Bild hervorgebracht wird.
Ich wende mich ab!

In diesem Sinne,
es lebe die Liebe, auch wenn sie einem manchmal die Luft abschnürt!