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Friday, 29. March 2024
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Tagebuch Aus_grosser_Zeit
 1915-01-10 hh:mm
Seit gestern hören wir wieder auf...

Seit gestern hören wir wieder aufs Neue das ferne Schießen. Wie man hört, sollen die Kämpfe um Verdun eigentlich ohne Unterbrechung seit dem 2 ten Jan. im Gange sein. Es geht, trotz all`der schweren Opfer doch so langsam vorwärts. Auch in Flandern sind die Kämpfe unmöglich durch dieses schreckliche Wetter! Seit Neujahr Sturm und Regen ohne Unterlaß! Vorgestern Mittag kam zuerst Hagel, dann Blitz und Donner, dabei wurde es. Mittags 3 Uhr, ganz finster, sodaß man in Angst gerieth! – Es kamen wieder neue Verwundete hier an. Heute war die Kirche übervoll von Kriegern! Gott weiß, was dieses Jahr uns noch bringen wird! Wie lange soll dieses entsetzliche Völkerringen noch dauern? Man darf solche Gedanken nicht aussprechen, denn allgemein ist das Siegesbewußtsein und die Ueberzeugung von unserem endlichen Siege im ganzen Volk festgewurzelt. Aber manchmal wird mir bange vor der Zukunft. Gott helfe weiter! – Eine gr. Freude bereitete mir das Eintreffen von drei Danksagungsschreiben auf die Liebesgabenpackete, welche ich dem hies. „R.Kr.“ gesendet hatte. Sie sind von Unteroffizieren der betr. Regimenter geschrieben. (Wir. R.Kr. hatten Alle je 5 Pakete abgeliefert mit Wollsachen, Cigaretten, Chokolade, Wurst etc. und legten Jede eine Karte mit einigen herzl. Worten dazu. Es war gesagt worden, unsere Adresse anzugeben, damit die Soldaten wenigstens wüßten, wer sie am Weihnachtsabend bescherte. Ich hatte oben auf jedes Packet einen Tannenzweig gelegt und 6 Kerzchen und schrieb dazu, daß wir mit unseren Gedanken u. unserem Gebet am heil. Abend bei ihnen seien. Sie sollten sich die Zweige fest nageln u. die Lichtchen befestigen, so hätten sie doch einen Schimmer vom deutschen Weihnachtsbaum.) 5 Packete wurden also an drei versch. Regimenter gegeben.

Der erste schrieb: „Ihr schönes u. liebes Packet welches mir von der Kompanie zur Verteilung ausgehändigt wurde, hat uns sehr erfreut. Wir machten uns damit einen schönen Weihnachtsabend in unserem Schützengraben! Ich wünsche Ihnen im Namen meiner ganzen Gruppe viel Glück und Segen im kommenden Jahr“.

Der zweite schrieb ähnlich, auch auf Feldpostkarte. Der Brief des Dritten lautet: S.g.Fr. G! „Soeben wurden mir vom Feldwebel mehrer Packete übergeben, mit dem Auftrag, dieselben an die bedürftigsten Leute zu geben, die nichts von ihren Angehörigen zu erwarten hatten. Um den Leuten den Inhalt nach Bedarf zu verteilen, öffnete ich die Pakete und fand Ihre beigefügte Karte. Der tiefergreifende Inhalt der Karte erreichte mein Herz und lenkte meine Sinne zu meiner Mutter, die sicher mit bangem Herzen den heil. Abend zugebracht hat. Der tückische Feind wollte einen Sturmangriff machen; wie friedlich wir ihm entgegenkamen, wurden wir doch von franz. Granatfeuer unfreundl. begrüßt, aber Gott sei Dank, ohne Erfolg! Wir standen in voller Bereitschaft mit aufgepflanztem Seitengewehr und legten unsere Hoffnung in Gottes Hand, welcher uns an diesem heil. Tage im Feindesangriff beschützt hat. Hoffentlich ist es Gottes Wille, daß ich im Kreise meiner Eltern das Osterfest als siegreicher Krieger mitfeiern darf. Ich wünsche Ihrer ganzen Familie ein glückl. Neues Jahr!“ –

 

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