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Thursday, 18. April 2024
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Sonntag, den 1. Juli Kalt und ...
Sonntag, den 1. Juli
Kalt und grau ist es heute. Und ich bin gerade in der entsprechenden Stimmung. Hagel und Blitz draußen vertreiben die Wehmut. – Mir ist richtig die Petersilie verkugelt. Dabei ist mir nicht so jammervoll wie vorgestern und so sehnsüchtig wie gestern. Heute Vormittag war der Himmel verhängt und hin und wieder schien die Sonne vor. Ich war in Ruhe und Recht in Harmonie. Dies ist jetzt sehr selten. Habe natürlich fast nur von Berezsal gesprochen. Wie gut, dass ich Mutti so ganz für meine Sorgen in Anspruch nehmen kann, sie versteht mich sehr gut. Als – bewusste – Luftschlösser malte ich mir manches aus und sagte. „Es war zu schön als dass ich an dies als Wirklichkeit glauben könnte“ – Wie mein Herz geht, wenn ich daran denke. Und wenn mir durch dies Erlebnis noch viel Leid bescheren wird, ich werde wohl nie bereuen, ihn kennen gelernt zu haben. – Als ich nachmittags spät erst zum Schlafen kam, klopfte es. Gertrud kam mit ihrer Berliner Schwägerin. Sie erzählte manches, darunter auch, dass Nikolaus sich den Kopf zerbräche über ihre spätere Heirat. Er wolle dann mit ihr nach Polen gehen. Warum das? Nicht nach Russland? Nein, er sagt, ein russischer Offizier darf keine Deutsche heiraten!
Nach einiger Zeit gingen sie. „Es wird gleich zu regnen anfangen, wir müssen uns eilen!“ Nun drischt es draußen. Und ich schreibe. – Eigentlich ist es ja nicht viel anders als vorher, da ich annahm, B. wollte sich die Erlaubnis holen. Nur, dass es sogar verboten ist, das macht mich mutloser. Es so klar zu hören! – Aber wenn B. gar nicht daran gedacht hätte, wäre ich doch froh gewesen, ihn zu sehen, zu spüren, zu haben. Und danach die Sintflut. So zeigt es mir ja; wie sehr er mich lieben muss. – Aber die Hoffnung auf eine Ehe hätte ich sonst doch heimlich immer gehabt. So ist sie endgültig dann zerstört!
Natürlich fand Frau Mittelstädt ein sehr treffendes Wort. Man lebt jetzt so provisorisch! Ich gehe immer nur so provisorisch ins Bett oder zur Arbeit. Und das Gefühl haben wohl viele. Eigentlich müsste man alles noch wirklich und richtig leben.

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