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2010-08-24 13:48
Mylady

Vor ein paar Tagen sah ich vom Tram (für DE-User = Strassenbahn) aus einen Westphalia-Camper und musste an Mylady denken. Denn Mylady pflege mit ihrer Perserkatze an der Leine mit einem solchen in Campingferien zu reisen. Aber das ist schon lange Vergangenheit.

Eigentlich hiess Mylady nicht Mylady, sondern Frau L., den Nick verpasste ich ihr, nachdem ich sie näher kennengelernt hatte.

Mylady zog mit Pomp in unsere ruhige Alterssiedlung. Das Zufahrtsträsschen war im Vorfeld gesperrt worden, ein Möbelwagen fuhr vor, gefolgt von einem Auto und dem Camper. Den Fahrzeugen entstiegen die Zügelmänner, Mylady mit Katze an der Leine, Mylady's Tochter und ihre beiden Enkelsöhne. Und dann begann ein tagelanges Hämmern und Bohren. Wir waren entsetzt, der Lärm und dann die Katze. Wo doch unser grosser, biologischer Garten, mit den alten Bäumen eine Oase für Singvögel ist! Nun, irgendwann war die Wohnung eingerichtet, Tochter und Enkelsöhne reisten wieder ab und die schon bejahrte Katze ignorierte die Vögel. Mylady bestückte  ihren Gartensitzplatz mit zahlreichen Blumenkübeln, pflanzte Sträucher und Blumen und schuf eine Art Mini-Urwald. Dann lud sie zum Tee. Sie wusste sich in Szene zu setzen, hatte aber auch immer einen flotten Spruch drauf und war bald ein tragendes Mitglied unserer Gemeinschaft.

Anzeichen waren natürlich vorhanden, aber wir beachteten sie nicht. Zuerst verkaufte Mylady ihren Camper. Nun gut, die Karre war ohnehin dauernd defekt gewesen. Aber ein neuer Camper wurde nicht angeschafft. Dann beschloss Mylady an Weihnachten nicht mehr zu ihrer Tochter zu reisen. Der Trubel wäre ihr zu viel. Also lud ich sie am Stephanstag zum Afternoontea ein, und wir machten Pläne für das ganze kommende Jahr. Was waren wir doch ahnungslos!

Bald darauf erlitt Mylady während der Nacht einen Gehirnschlag. Vier Monate Krankenhaus- und Kurheimaufenthalte konnten sie nicht mehr wiederherstellen. Diese so lebhafte, selbständige und aktive Frau blieb ein Pflegefall und musste in ein Altersheim eingeliefert werden. Als ich sie das letzte Mal sah, erschien sie mir wie eine Hülle ohne Inhalt. Ich schrieb damals in mein eigentliches Tagebuch (das ich nicht ins tagtt stelle): "Das Haus wird nie mehr so sein, wie es einmal war!". Und ich bringe es nicht über mich, sie im Altersheim zu besuchen. Denn ich möchte sie so in Erinnerung behalten, wie sie einmal war. Wahrscheinlich würde sie mich auch gar nicht wahrnehmen können.

Kommentare

19:05 01.09.2010
@freedom: Du hast natürlich Recht. Vielleicht überwinde ich mich ja noch mal.
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unbekannt
18:03 01.09.2010
Das verstehe ich sehr gut ... aber vielleicht würdest Du ihr eine Freude machen ...

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02:12 26.08.2010
na das ist dann ja weitgehend ideal für's kätzchen gelaufen
Good luck!
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09:29 25.08.2010
@ Lucky: Das Kätzchen hatte zuerst ich versorgt und bin auch mit ihm an der Leine "Gassi" gegangen. Als sicher war, dass Mylady nicht mehr in ihre Wohnung zurückkehren konnte, nahm die Tochter die Katze zu sich. Das war für die Katze kein Problem, da sie ja schon öfters bei der Tochter und in deren Wohnung gewesen war. Mylady hatte sie auf ihren Reisen jeweils mitgenommen.
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09:05 25.08.2010
Das ist nicht schön.
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03:28 25.08.2010
meistens ganz gut, dass wir nicht wissen, wie's endet
und was wurde aus dem kätzchen? gibt ja immer wieder welche "im angebot", deren besitzer nicht mehr können
Good luck!
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20:32 24.08.2010
@ Suza: Wenn Mylady verstorben wäre, wäre ich nicht traurig. Denn die Toten sind ja nicht weg, wir können sie nur nicht wahrnehmen. Wo aber ist die Seele eines Menschen, dessen Körper hier auf der Welt weiter vegetiert?
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19:50 24.08.2010
So ist das Leben, es kommt und es vergeht. Wir wissen es und doch fällt uns Abschied nehmen so schwer. Mit jeder Türe, die sich schliesst, geht auch wieder eine auf. Ich wünsche Dir soviel Trauer wie nötig (auch wenn sie noch nicht verstorben ist) und einen schönen Sonnenaufgang.
Und uns wünsche ich, wenn der Verfall uns einmal einholen sollte, das wir nicht der Jugend nach trauern, sondern uns an den reichen Erinnerungen erfreuen und los lassen können.
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14:01 24.08.2010
Ja das ist es. Mit dem Tod habe ich keine Probleme, wohl aber mit dem Verfall eines Menschen.
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13:55 24.08.2010
das ist so traurig.
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2010-08-24 13:48