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2011-01-09 12:00
Lasst euch überraschen!
Es ist halb elf. In zwei Stunden werde ich mich auf den Weg machen zum üblichen Sonntagsessen bei meinen Eltern. Ich freue mich auf den Hund. Ausschließlich? Hm, so ziemlich. Wie jede Woche. Ich rieche an meinen Haaren und wundere mich. Rechts riechen sie noch immer nach Jil Sanders Sensation, links nach John Friedas Brilliant Brunette. Ich bin froh, wenn diese Silikonbombe endlich aufgebraucht ist. Ich habe es mal geliebt, wirklich geliebt. Aber seit mir klar ist, dass die Firma jede Menge Silikone in ihre Produkte panscht, mag ich es eigentlich nicht mehr benutzen, zumal ich schon feststellen durfte, dass meine Haare nach der Wäsche mit silikonfreien „Naturshampoos“ so viel schöner werden. Dummerweise hatte ich gerade erst einen neuen Satz Silikonbombenshampoo und Spülung gekauft, als mir diese Erkenntnis kam. Und hey, ja, ich mit meinem mickrigen noch studentischen finanziellen Möglichkeiten hab ein echtes Problem damit, 14 Euro mal einfach so in die Tonne zu schmeißen. Also wird es jetzt auch aufgebraucht, bis zum bitteren Ende. Die paar Wochen mehr machen es nach jahrelanger Benutzung ja nun auch nicht mehr.

Gestern Abend war ich im Theater. Nachdem wir am zweiten Weihnachtstag die „Entführung aus dem Serail“ wegen Glatteis schon verpassten, machte das Wetter gestern mit diesen frühlingshaften Temperaturen gar keine Probleme. Wieder einmal war ich mit meinen Eltern unterwegs. Mit ihnen und einer Bekannten von ihnen. Ihr Sohn hat mir vor Urzeiten Mathe-Nachhilfe gegeben und zu seinen Zeiten schrieb ich die einzigen zwei Mathe-Einsen meines Lebens. Ich Heldin, ich.

Ja, wieder einmal war ich mit meinen Eltern unterwegs und mit der Bekannten zusammen haben wir nach außen hin sicher wie die perfekte Kleinfamilie gewirkt. Und wieder einmal kam ich zu der Erkenntnis, dass ich dringend neue Freunde brauche. Ich gehe gerne mal ins Theater. Wirklich. Aber eigentlich komme ich immer nur ein, zweimal im Jahr dazu, meistens in der Weihnachtszeit und immer mit meinen Eltern. Schon komisch. Dabei haben alle Leute in meinem Umfeld genau wie ich im weitesten Sinn Literatur- und/oder Kulturwissenschaften studiert. Und trotzdem schaffen es die meisten von ihnen gerade mal regelmäßig die Mainstream-Kinoblockbuster zu sehen. Selbst Programmkino ist schon nicht mehr selbstverständlich. Wenigstens mit einer Freundin kann ich in sehr unregelmäßigen Abstand so was die Kultur genießen. Immer dann, wenn wieder eine Aufführung des brasilianischen Chors ansteht, in dem ihre Mutter mitsingt. Das ist immer wieder schön und verursacht mir regelmäßig eine schaurig schöne sehnsuchtsvolle Gänsehaut. Saudades do Brasil. Und das obwohl ich mich tatsächlich an mein Ursprungsland doch gar nicht erinnere und erinnern kann.

Na, wie auch immer, ich denke, ich brauche Theaterfreunde. Mit meinen Eltern ins Theater zu gehen ist besser als gar nicht zu gehen, aber auch nicht das Optimum. Ich will mich danach wirklich mit jemandem über das Gesehene austauschen können und nicht bei jedem Satz, den ich im Nachhinein dazu äußere, im Stillen fürchten, nicht intellektuell genug daher zu kommen. Vielleicht sollte ich die Suche nach Affären und Spielereien aufgeben und stattdessen Kontaktanzeigen zum Suchen und Finden von Theaterbekanntschaften aufgeben. Wobei…Hätte ich es nicht immer so kompliziert gemacht und schlussendlich völlig verdorben, hätte es unter den Internetbekanntschaften der letzten Jahre die ein oder andere Theaterbegleitung gegeben. James beispielsweise wäre ein großartiger Begleiter gewesen. Hach ja….James…Ob ich wohl jemals wieder so einen verstörend faszinierenden Charakter kennen lernen werde, der mich gleichzeitig einschüchtert und herausfordert? Hätte, hätte, könnte, wenn…Das bringt alles nichts und trotzdem wünschte ich im Nachhinein, ich hätte damals die Traute gehabt, ihn zu treffen.

Zu sehen gab es gestern übrigens „Lasst euch überraschen!“. Ein Stück von Sibylle Berg. Ich persönlich mag sie sehr, die Sibylle. Entsprechend großartig fand ich das Stück. Aber für heute werde ich mich nicht in stümperhaften Lobhudeleien ergehen, das haben andere sehr viel besser als ich in ihren Kritiken getan, zu lesen auf der entsprechenden Homepage hier:

http://www.theater-bonn.de/production.asp?ShowtimeID=1394


Und natürlich gibt es heutzutage fast schon alles auf Youtube, so auch einen Trailer zu dem Stück.


Hach ja, Theaterluft, sie macht mich immer so wehmütig. Jedes Mal nach einem Theaterbesuch denke ich mir, ich hätte es nicht aufgeben sollen, hätte damals weiterhin laienhaft auf der Bühne herumstümpern sollen. Ja, mit Sicherheit war mein kurzes Theaterleben nicht mehr als laienhafte Stümperei, aber es hat mich wirklich glücklich gemacht. Und jetzt, heutzutage, da mag ich es nicht noch einmal versuchen, fühle mich irgendwie schon zu alt für solche Scherze, zu bequem, zu träge, zu versumpft, zu unsicher. Dabei wäre das vielleicht mal wirklich eine Maßnahme.

Und überhaupt. Ein wenig traurig hat er mich gestimmt, der Theaterbesuch gestern, hat er mich doch nur wieder daran erinnert, dass es unglaublich schwer bis fast unmöglich geworden ist für mich, beruflich in dem Bereich tätig zu werden, in dem ich gerne arbeiten würde. In jeder Hinsicht spart man heutzutage an der Kultur. Geld ist für alles da, im Fall meiner Stadt für teure Kongresszentren, aber der kulturelle Sektor muss immer größere Kürzungen in Kauf nehmen. Selbst für irgendwelche lächerliche Posten in irgendwelchen Wald- und Wiesen-Museen in der letzten Provinz braucht man heutzutage mindestens einen Doktortitel und jahrelange herausragende Berufserfahrung. Schon blöd, wenn alles, wo man mit Herzblut bei der Sache wäre, kein Geld bringt. Jedenfalls nicht genug zum leben. Dabei lebe ich nicht mal auf großen Fuß. Von rund 40qm großen Räumen in der Wohnung kann ich nur träumen. ^^ Meine ganze Wohnung ist nicht mal so groß. Ja, ja. Alles nicht so einfach.

Nun gut, jetzt muss ich aber langsam unter die Dusche, sonst komme ich noch zu spät zum Sonntagsessen. Und das will ja nun wirklich keiner.

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2011-01-09 12:00