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2011-03-12 11:13
Familienfeiern

Heute Abend ist es mal wieder so weit. Geburtstage sind zu feiern. Heute der meiner Ma. Ein runder Geburtstag, eine große Feier außer Haus.

 

Für mich sind Geburtstage innerhalb der Familie, einer Familie, die nur aus drei Personen besteht, schon immer schwierig gewesen. Noch so ein Moment im Leben, in dem man sich Geschwister herbeiwünscht. Mit ihnen wäre vieles einfacher, auch Geburtstagsfeiern. Und da meine Eltern ebenfalls beide als Einzelkinder aufwuchsen, kann ich nicht mal auf das Nächstbeste zurückgreifen: Cousins und Cousinen.

 

Und so war ich schon von frühster Kindheit bei solchen Feierlichkeiten alleine unter Erwachsenen. Hin und wieder taten mir meine Eltern den Gefallen und luden die Nachbarstochter mit ein. Wir sind zusammen aufgewachsen und auch bei ihren Elterngeburtstagen werde ich oft als Spezialentertainmentguest für sie mit eingeladen. Denn sie hat zwar einen Bruder, redet mit ihm aber nur das Nötigste. Wahrscheinlich ist doch nicht alles toll, wenn man Geschwister hat.

 

Erstaunlich, erschreckend, lächerlich: Vor knapp einem Dreivierteljahr, da dachte ich an den anstehenden Geburtstag meiner Ma und lächelte. Ich Naivchen, ich. Dachte ich doch glatt, es bestünde der Hauch einer Chance, zu diesem Anlass auch mal mit Anhang erscheinen zu können. Aber man weiß ja, was daraus geworden ist. Aus der angedeuteten Sommerromanze wurde ein ganz großer, hässlicher Sommerfail. Und es sticht immer noch ganz schön, wenn ich daran denke.

 

Nun gut, den heutigen Abend werde ich wohl mit meinen ehemaligen Lehrerinnen verbringen. Jedenfalls war die Sitzordnung ursprünglich mal so angelegt. Welche Freude. Gut, ich mochte sie alle, meine ehemalige Englischlehrerin, meine ehemalige Deutschlehrerin, meine ehemalige Erdkundelehrerin, meine ehemalige Chemielehrerin. Trotzdem kann ich mir Schöneres vorstellen als einen Abend mit ihnen, fast neun Jahre nach meinem Abitur.

 

Aber vielleicht habe ich ja Glück und sitze nun doch bei unserer Nachbarschaft. Das wäre mir fast noch am liebsten. Sie sehe ich jedes Jahr am Geburtstag meiner Ma, wenn sie bei uns zu Hause feiert. Diese Geburtstage sind mir auch wesentlich lieber, weil man sich da wenigstens noch sinnvoll beschäftigen kann. Auftischen, abräumen, spülen, Mahlzeiten vorbereiten, Getränke besorgen: Da hat man wenigstens was zu tun. Und ein bisschen Tratsch und Klatsch aus meiner alten Nachbarschaft und meiner Heimatstadt kriege ich nebenbei auch noch mit. Das ist auch mal nett.

 

Doch hey, es ist der Geburtstag der eigenen Mutter, da muss man auch mal zu kleinen Opfern bereit sein. Irgendwie werde ich schon durch den Abend kommen. Mehr Sorgen macht mir tatsächlich die Rede meines Dads, die er zu diesem Anlass vorbereitet hat. Und weil er mich gebeten hat, ihm zu helfen, hänge ich da nun auch drin, denn ich hab ihm eine PowerPoint Präsentation dazu gebastelt.

 

Nun weiß ich aber auch ganz genau, dass meine Ma darauf hofft, dass mein Dad keine Rede hält. Sie will das nicht, hält das Ganze für größte Selbstdarstellung, nicht für sie, nur für sein Ego und die Worte für Schönrederei eines nicht so wirklich durch und durch schönen gemeinsamen Lebens.

 

Ich sehe sie schon innerlich die Augen verdrehen, wenn wir heute Abend das ganze Gedöns rund um Beamer und Leinwand aufbauen. Wahrscheinlich wird sie sich etwas denken wie: „Höher, schneller, weiter! Jetzt reicht ihm schon nicht mehr das Reden an sich, um sich aufzuspielen, jetzt muss er auch noch so ein riesiges Tamtam auffahren!“

 

Vor diesem Hintergrund gefällt es mir gar nicht, dass es zwischen Vorspeise und Hauptgang locker eine Dreiviertelstunde Pause geben wird.  Auch wenn man schon vorher alles aufbaut und die Geräte nur noch einschalten muss, bis die Rede anfangen kann, vergehen locker fünf Minuten, auf dreißig Minuten Redezeit bringt es mein Dad dann sicherlich und danach muss dann noch das Vorspeisenbuffet ab- und das Hauptspeisenbuffet aufgetragen werden.  

 

Ich finde, dass ist eine ganz schön lange Pause, wenn man bedenkt, dass sich das Geburtstagskind wahrscheinlich größtenteils nur anstandshalber freuen wird und es für den Rest der Gäste völlig egal ist, ob es eine Rede gibt oder nicht.

 

Na ja. Das sind eben die Probleme, die man in einer Familie hat, in der man nicht offen miteinander reden kann. Es war nicht meine Aufgabe, meinem Dad zu sagen, dass meine Ma keine Rede will. Und es ist an ihm, ihr klar zu machen, dass es ihm in erster Linie darum geht, ihr eine Freude zu machen und nicht darum, sich aufzuspielen.

 

Und doch, auch das geht vorbei, morgen um diese Zeit und heute in weniger als zwölf Stunden wird auch dieses Thema „Rede“ der Vergangenheit angehören.

 

Gestern war ich abends mit meinem Dad in dem Restaurant, in dem wir feiern werden, um einen Probelauf mit den Geräten zu machen. Wenigstens ist nun schon ausgekaspert, wo die Geräte am besten stehen werden. Vorher war ich noch kurz in meiner alten Heimatstadt, um meinem Stammoptiker einen Besuch abzustatten. Morgens unter der Dusche war mir meine Brille runtergefallen, ein Bügel ging ab und die dazugehörige Schraube brauchte ich erst gar nicht mehr zu suchen, die hätte ich eh im Leben nie gefunden.

 

Meistens nervt mich meine Welt und besonders meine Heimatstadt. Es ist immer dasselbe, dieselben Geschäfte, dieselben Gesichter. Alles zu eng, zu klein, zu wohl bekannt. Aber manchmal finde ich es auch schön. Zu den schönen Aspekten gehört immer auch der Optikerbesuch. Bei dem Ladeninhaber habe ich zu Grundschulzeiten meine erste Brille bekommen. Später habe ich dort regelmäßig meine Kontaktlinsenlösungen geholt. Er hat mich aufwachsen sehen. Und jedes Mal, wenn man den Laden betritt, vermittelt er dir nicht nur den Eindruck, dass er dich erkennt, sondern auch, dass er sich freut, gerade dich als Kunden begrüßen zu dürfen. Das mag ich. Deswegen habe ich mich letzten Sommer auch auf sein Urteil bei der Wahl eines neuen Brillengestells verlassen. Ja, das sind die Momente, in denen ich es doch schön finde, Stammgeschäfte zu haben.

 

Bis mein Dad mich am Bahnhof abholen wollte, blieb mir danach noch mehr als eine halbe Stunde Zeit, die ich in der Bahnhofsbuchhandlung totschlug. Dort traf ich unverhofft einen ehemaligen Kommilitonen, der nun wieder in der Bahnhofsbuchhandlung arbeitet, weil seine Bibstelle im Institut gestrichen wurde.

 

Seinetwegen liegen seit einer Ewigkeit Bücher aus unserer Ethnobib bei mir zu Hause, denn ich wollte ihn bei der Rückgabe wirklich nicht treffen. Eigentlich mag ich ihn ja ganz gerne, er gehörte zu den Ethnos, die ich früher einmal auch außerhalb der Uni oft gesehen habe und es war schon immer lustig mit ihm. Und früher einmal, da freute ich mich auch darauf, ihm bei der Ausleihe in der Bib über den Weg zu laufen und ein kleines Schwätzchen mit ihm zu halten.

 

Aber mein momentanes erfolgloses Möderleben trägt auch erheblich dazu bei, dass ich die sozialen Kontakte im echten Leben schleifen lasse. „Gespräche“ mit bedeutungslosen Fremden sind mir derzeit wesentlich lieber als Freunden gegenüber das ewig selbe Lied von der anhaltenden Erfolglosigkeit vorsingen zu müssen.

 

Aber passiert ist passiert. Wenigstens weiß ich nun, dass ich die Bücher endlich wieder zurückgeben kann, weil ich ihn ganz sicher nicht mehr in der Bib treffen werde. Das ist ja auch schon mal was.

 

Na, wie dem auch sei, jetzt sollte ich mir wohl mal langsam überlegen, was ich heute Abend anziehen möchte, ob ich mir die Haare aufdrehen werde, dieses Mal möglichst ohne mich dabei mit dem Lockenstab zu verbrennen und ob ich die Fingernägel lackieren will oder nicht. Und morgen Abend, wenn ich wieder in meiner Wohnung angekommen bin, dann kann ich durchatmen und werde froh sein, ein für mich (vor allem psychisch) anstrengendes Wochenende erfolgreich hinter mich gebracht zu haben. Gar keine so schlechten Aussichten, darauf kann man sich tatsächlich freuen.

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2011-03-12 11:13