Willkommen auf Tagtt!
Thursday, 28. March 2024
Alle » News, Bilder, Videos - Online
2010-08-09 07:41
Der weinende Clown - 18

Aufgeregtes Murmeln drang an sein Ohr. Dann plötzlich fing das Orchester zu spielen an, es war ein Höllenlärm, zwei grellgeschminkte, in bunten Flicken gekleidete Clowns purzelten ungeschickt wie betrunkene Tölpel in die runde Manege.
Einer der beiden zauberte eine Kindertrompete aus der hinteren Gesäßtasche seiner grasgrünen, viel zu weiten Hose, der andere hob seinen Hut von der roten Perücke und zog daraus eilig eine Mundharmonika hervor. Das Orchester war verstummt und beide begannen nun, leise auf ihren Instrumenten zu spielen, doch es klang schauerlich. Der Clown mit der Mundharmonika lag mit seiner Melodie immer einen halben Ton zu tief, worüber sich der Trompetenclown ärgerte und den Fehler des anderen regelmäßig mit einem Fußtritt in dessen Hinterteil quittierte.
Das Publikum brüllte vor Lachen. Und so oft der Clown mit der Mundharmonika auch versuchte, den richtigen Ton zu treffen, es gelang ihm nicht. Schließlich warf der Trompetenclown seine Trompete auf den dick mit Sägemehl bestreuten Boden, zog eine Wasserpistole aus der Jacke und spritzte den Mundharmonika spielenden Kollegen nass, der darauf hin sein Spiel unterbrach  und traurig dastand wie ein begossener Pudel. Der eine hatte zwischenzeitlich seine Trompete wieder aufgehoben und gab dem anderen herrisch ein Zeichen, weiter auf seinem Instrument zu blasen – doch jetzt klang es noch schauerlicher als vorher – die Mundharmonika war voller Wasser, das in kleinen Bächen herauslief. Die Leute trampelten vor Vergnügen, während Bruno dasaß, keine Miene verzog und tiefstes Mitleid für den Mundharmonika-Clown empfand.

Schließlich wurde es dem Trompetenclown zu bunt, er stieß ein Signal in seine Trompete, worauf ein kleines Feuerwehrauto mit fünf weiteren Clowns in die Manege fuhr und in der Mitte stoppte. Dann sprangen die Clowns ab, rollten den Feuerwehrschlauch von der Trommel und bespritzten den Mundharmonika-Clown
mit einem dicken Wasserstrahl, der nun seinerseits sein Heil in der Flucht suchte und im Kreis um die Manege rannte. Kurz darauf versiegte das Wasser, der Clown ließ sich langsam in Brunos Nähe nieder – dann begann er zu weinen. Er weinte. Klagend, leise schluchzend, so herzzerreißend, als würde ein Kind nach der Mutter weinen, Schutz suchend vor einer grausamen, unbarmherzigen, ihm unbekannten Welt. Das Publikum klatschte Beifall, johlte unerträglich laut, fast schmerzhaft für Brunos  Ohren, der, den Blick starr auf den Clown geheftet, dessen Leid schweigend mit ihm teilte.

Der Clown stand bedächtig auf, zog umständlich ein viel zu großes Taschentuch aus der Hosentasche, tupfte sich damit tollpatschig die Tränen von den Wangen.
Dann sah er Bruno für einen Moment direkt in die Augen, hob kurz die Hand, winkte ihm müde zu, drehte sich langsam wie eine gequälte Kreatur, um mit hängenden Schultern die Manege zu verlassen.

Kommentare

Noch keine Kommentare!
Kommentieren


Nur für registrierte User.

2010-08-09 07:41