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2010-11-04 08:20
Der weinende Clown - 104
Bruno hatte sich wieder einmal in Rage geredet. Der Ärger Sarahs hatte sich auf ihn übertragen und so meinte sie schließlich: „Jetzt beruhige dich mal wieder – ich wollte dich nicht aufregen.“
„Verdammt noch mal! Ich will mich aber aufregen, mein Schatz – und ich hoffe und glaube, dass das nicht nur mir so geht. Ich denke, die Bevölkerung regt sich höchstwahrscheinlich auch darüber auf – denn schön langsam sind das alles untragbare Zustände, die man schleunigst ändern sollte. Was sage ich? Unbedingt ändern muss!“

„Was sollte man ändern?“, fragte eine dunkle Stimme im Hintergrund, die zu einem älteren Arzt gehörte, dessen Eintreten niemand bemerkt hatte. „Das Gesundheitswesen“, meinte Bruno und verzog ärgerlich das Gesicht.
Der Arzt schien die Antwort überhört zu haben. „Was macht Ihr Arm?“
„Er ist noch dran.“
„Nicht zu übersehen. Ich meine: Tut er noch weh?“
„Nein.“
„Gut. Aber wir sollten die Sache noch ein paar Tage beobachten. Sie werden noch eine Weile hier bleiben müssen.“
„Muss ich nicht, Herr Doktor.“
„Wie?“
„Ich gehe spätestens morgen nach Hause.“
„Aber ich kann Sie morgen sicherlich noch nicht entlassen. Es könnte durchaus etwas Ernsteres dahinter stecken.“
„Ich entlasse mich morgen selbst.“
„Das können Sie doch nicht machen!“
„Und warum nicht? Ich kenne mich und meinen Körper besser als jeder Arzt, da bin ich mir ziemlich sicher, schon deshalb, weil ich drinstecke und kein anderer. Ob ich den Arm hier schone oder zu Hause – wo bitte ist hier der Unterschied?“

„Aber – aber ...“ Eine kurze Verlegenheitspause entstand; der Arzt atmete tief durch, machte einen konsternierten hilflosen Eindruck und bekam einen roten Kopf. „... nur auf Ihre eigene Verantwortung.“ Anscheinend war ihm ein Patient dieser Art noch nie untergekommen. Er schüttelte ungläubig den Kopf.
„Na klar, auf wessen Verantwortung denn sonst? Außerdem versteht ihr Mediziner nur etwas von Krankheiten und kaum etwas von Gesundheit. Deshalb arbeitet ihr auch in einem Krankenhaus und nicht in einem Gesundheitshaus“, erwiderte Bruno lakonisch.
„Eine seltsame Ansicht. Aber gut – Sie sind erwachsen und klaren Verstandes. Sie müssen selbst wissen, was Sie tun“, meinte der Weißkittel schließlich resignierend, hob beide Hände, drehte sich um und verließ grußlos den Raum.
„Das sehe ich auch so“, rief Bruno ihm nach.

„Dem hast du’s aber gegeben“, sagte Donatello und in seiner Stimme lag ein bewundernder Unterton.
„Von wegen, er hat’s ihm gegeben! Er ist lediglich stur und leichtsinnig“, schimpfte Sarah.
„Nein, mein Schatz, bin ich nicht. Ich verlasse mich nur auf mein Gefühl. Außerdem: Wie ich schon sagte, kenne ich mich selbst besser als jeder Arzt und habe ein ausgezeichnetes Gefühl für meinen Körper. Denen geht es hier doch nur ums Geldverdienen und das mache ich nicht mit. Es ist kein Wunder, dass die Gesundheitskosten explodieren, wenn dies die täglich gängige Praxis ist. Die sollen jene behandeln, die es nötiger haben als ich und davon gibt es jede Menge.“
„Du bist heute aber ätzend!“
„Nein – nur klaren Verstandes. Hat mir der Arzt eben bestätigt.“ Er lachte schallend und meinte weiter: „Ich sollte mir das schriftlich geben lassen. Jetzt muss ich
mich nicht mehr ständig fragen, ob die Welt spinnt oder ich.“

Nach einer kleinen Pause fragte sie: „Willst du morgen wirklich nach Hause?“
„Ja. Und da halten mich meine zehn Pferde davon ab. Ich vermisse dich – dich und Karsten.“
Sarah nahm seine Hand und drückte sie zärtlich. „Dann tu, was du nicht lassen kannst.“ Sie seufzte und stand auf. „Ich muss gehen, Karsten ist zu Hause, meine Mutter passt auf ihn auf, aber sie hat heute noch einiges vor.“
„Das nennt man Rentnerstress“, erwiderte er lachend und meinte weiter: „Aber besser, sie ist aktiv. Das hält sie jung.“
„Wie auch immer – ich muss.“ Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, ging zur Tür und winkte noch einmal kurz. „Bis morgen!“
„Bis morgen“, wiederholte er. Dann verließ sie den Raum.

„Nun sag schon!“, forderte Donatello ihn auf.
„Was?“
„Ich will wissen, woher du das alles weißt.“
„Das kann ich dir nicht sagen.“
„Kannst du nicht oder willst du nicht?“
Bruno überlegte. Natürlich hätte er erzählen können, woher er sein Wissen nahm, doch die Angst vor den Konsequenzen ließ ihn schweigen. Andererseits wusste er auch, dass Donatello ihn nun so lange nerven würde, bis er die Wahrheit erfahren – oder zumindest eine plausible Erklärung bekommen hatte. Er nahm sich vor, vorsichtshalber erst einmal oben den alten Herrn zu fragen, wie er in dieser Sache verfahren sollte.
„Einverstanden. Ich mache dir einen Vorschlag, Donatello: Ich erzähle es dir – aber nicht heute und nicht hier, einverstanden?“
Der andere nickte widerwillig. „Gut. Aber ich bestehe darauf.“

Bald darauf war der Clown eingenickt.
Bruno betrachtete ihn eine Weile nachdenklich. „Das habe ich befürchtet“, sagte er seufzend zu sich selbst. Kurze Zeit später war er ebenfalls eingeschlafen.

Kommentare


unbekannt
15:02 04.11.2010
schlafen ist gesund.

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2010-11-04 08:20