Es ist vorbei, lange schon, lange vorbei!
Noch ein Brief ist gekommen, ein verliebter; ganz närrisch war er, schade, ich weiß nicht wo der Brief ist. Darauf hat Papa geantwortet, er hat auch noch mal an Papa geschrieben, sehr höflich und nun ist´s vorbei. Ich habe gehofft, gehofft, den ganzen Sommer, vergeblich. Ich habe inzwischen schon so verschiedene andere Herren kennen gelernt, aber ein Roscher war nicht wieder dabei. Ich habe manchmal schon ordentliche Sehnsucht nach ihm gehabt, aber „es war einmal!  Neulich Abends ging ich in der Friedrichstraße, und da dachte ich, da mußte ihn doch mal treffen, mir war so, als ob überhaupt kein Zweifel aufkommen dürfte, als ob ich ihn jeden Augenblick sehen müßte und doch vergebliches Hoffen!
Aber so ist es nun mal in der Welt, das Alte vergeht und Neues tritt an seine Stelle. Wieviel hat sich nicht seitdem geändert. Ich bin aus der Schule, wir haben ein Abschiedsfest gefeiert im „Deutschen Hof“ mit Eltern und Lehrern, großartig! Ich gehe zur Rackowschen Handelsschule, bin dort mit Anni Moll aus der Stierschen Schule zusammen. Lotte Welschke ist in Pension, das größte und schrecklichste aber hat sich vor 8 Tagen ereignet. Dora Trietschel ist gestorben. Es war schrecklich, ganz fürchterlich. Im Freijahr hat sie noch unser Kostümfest mitgemacht. Das war immer Freitags. Am Dienstag drauf bekam sie Bluthusten, hat dann hier 4 Wochen gelegen. Sobald sie transportfähig war, Anfang März kam sie nach Reiboldsgrün. Blieb dort 5 Monate und 3 Wochen. Als sie wiederkam sah sie auch ganz frisch aus, so daß wir glaubten, sie würde wieder gesund. Als sie aber ungefähr 5 Wochen wieder hier war, bekam sie Fieber und legte sich. An einem Sonntag Nachmittag haben Mutti und ich sie noch besucht, damals habe ich sie zum letzten Male gesehen, 14 Tage darauf am 4. November ist sie gestorben. Wir hatten am 4. ein Fest von Mutters Turnverein mitgemacht, und als wir am anderen Morgen noch ganz verschlafen waren, wurden wir von der Nachricht geweckt.-