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Thursday, 25. April 2024
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Tagebuch An_mich_selbst
 1911-02-11 hh:mm
Böse Gerüchte um Walter
Es ist schon wieder eine ganze Zeit vergangen. Es ist zwar nicht viel geschehen. Die Zeit fliegt dahin. Weihnachten war. Es war zu Hause sehr nett. Leider war ich während der Feiertage krank, aber ich erhielt deswegen noch 1 Woche Ferien. Meine I. Lektion habe ich auch hinter mir. Ich teilte mich mit Agnes Schulze in den „barmherzigen Samariter“. Ich hatte furchtbare Angst, aber es war ganz nett. – Mit Walther bin ich noch nicht zusammen gekommen. Wir sehen, sprechen, grüßen u. lieben uns nur mit den Augen. Und was sagen sie nicht alles! Soll ich das hier alles erzählen? Manchmal bin ich verzweifelnd aber nur wer die Sehnsucht kennt weiß was ich leide. Man kann oft wirklich sagen „die Liebe ist die größte Strafe, die sich die Götter für die Menschen erdacht haben.“ Ich sitze oft lange und würde noch länger sitzen, wenn ich Zeit hätte u. träume u. träume u. denke an meinen Kerl. Wenn ich ihn nur einmal bei mir hätte. Einmal nur Hand in Hand eine kurze Zeit sitzn, ihn ansehen – und glücklich sein. Ich muß jetzt aber noch sehr vorsichtig sein. In 1 Jahr bin ich hoffentlich fertig u. dann, dann bin ich frei – frei wie der Vogel in den Lüften – u. mein Kerl ist dann wohl auch frei – u. dann können wir uns sehen, - sprechen – u. lieben. Dann habe ich ihn ganz allein! Freilich nur dann – wenn wir uns noch lieben. 7 Tage haben wir uns jetzt nicht gesehen. Am Sonntag war er zum Bummel u. ich erfuhr, daß er betrunken war u. sich zum Harlekin aufgespielt haben soll. Ich glaube ja, daß es nicht so schlimm war, daß man mir nur einen Ekel vor ihm einflößen wollte. Man wollte mir nur einen Stachel geben. Ich erkannte das wohl. Aber Gift ist doch zurück geblieben. Ich konnte ihn nicht mehr sehen. Ich liebte ihn zu sehr u. tue es noch – und dieser liebe Mensch soll sich so verschwenden. – Ich sah nicht mehr zum Fenster raus. Er merkte es wohl auch u. ging nicht mehr spazieren. Im Konzert war er auch nicht. Er schrieb mir eine lateinische Karte. – Wenn ich auch nicht alles heraus bekam, so ersah ich doch den Sinn. Ein Vorwurf nach dem anderen sprach daraus. Wie sehr ich gedrückt war! Keinem Menschen ist es so schwer geworden. Die Strafe war für mich am größten. Und dann noch den Vorwurf.-
Nun ist aber alles wieder gut. – Nun wollen wir uns lieben, nun soll uns kein Mensch mehr hereinreden. Ja, wenn ich Gewissheit hätte, wie er denkt. Ich kenne ihn ja garnicht. Wir haben ja noch nie zusammen gesprochen. Ich sehe ihn nur gehen u. daraus erkenne ich oft seine Leidenschaft. Ich glaube er ist sehr leidenschaftlich – aber ein großer Starrkopf! – Nun geht es mit Ostern los. Hoffentlich werde ich mit versetzt nach S. I. u. dann geht es fröhlich weiter, kindlich u. Gott vertrauend.
Frisch vorwärts, kindlich aufwärts!
Es muß gehen. –

Morgen, am 13. Februar, haben wir unser Kostümfest. Ich erscheine als Fischerin, mit Christel Schöne, ein reizendes Wesen, die ich wirklich liebe, bilde ich ein Pärchen, sie als Page. Hoffentlich wird es nett.

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1911-02-11 hh:mm