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Tagebuch aldebaran
2005-04-13 12:47
Die Vergangenheit holt mich ein
Gestern abend habe ich den Schuhkarton mit meinen Fotos gefunden. Winner’s gesammelte Werke von 1994-2003.
Als ich mich dann gestern durch die Fotos gewühlt habe, kamen bei mir die Erinnerungen wieder hoch.
Irgendwann holt einen die Vergangenheit wieder ein und plötzlich war die Sehnsucht wieder da. Die Sehnsucht nach was ???
Dazu muss ich ein wenig ausholen und einige Dinge erklären die im Jahr 1994 passiert sind und sich dann mehrere Jahre durchgezogen haben.
Auf dem Geburtstag meiner Mutter bin ich, statt dort zu bleiben mit meiner damaligen Freundin zum Osterfeuer gefahren. Unser ganzer Bekanntenkreis war auch da. Und was macht Sie. Sie macht Schluss. Ich mich ins Auto gesetzt und denke leck mich. Um ehrlich zu sein, war ich am Boden zerstört. Das Abi stand vor der Tür und Sie macht mit der Begründung Schluss, dass ich ja bald zum Bund müsste.
Was war denn das für eine gequirlte Scheisse.
Das war der grösste Mist, den ich je gehört hatte.
Wenn Sie wenigstens gesagt hätte, dass Sie mich nicht mehr liebt.
Das wäre zwar auch schmerzhaft gewesen, aber wenigstens ehrlich!

2 Tage später ruft mich ein Freund an und erzählt mir, dass Nadine (so hiess Sie) nachdem ich weg war, mit Frank einem aus unserem Bekanntenkreis in den Wald gegangen ist und nach mehreren Stunden zurückkam. Und siehe da, Sie waren nun zusammen.
Bin schon lange nicht mehr so explodiert.
Und der Hammer : FRANK war beim Bund !!!!

So eine Mistkröte (das war jetzt der freundliche Ausdruck. Gedacht habe ich ganz andere Dinge)

Von da an hatte ich nur einen Gedanken. Abi hinter mich bringen und ab zum Bund. Und das möglichst weit weg.

Am Montag morgen nachdem aufstehen bin ich direkt zum Telefon gestürzt und hab das Kreiswehrersatzamt angerufen. „Schicken Sie mich nach Flensburg oder Oberammergau, aber bitte nicht nach Hemer. Ich wohne schon seit 18 Jahren in dem Kaff und möchte was anderes sehen.“ Sagte ich. Soviel verständnis hatte ich von denen gar nicht erwartet. Heraus kam, dass ich nach Budel in die Niederlande kam. Zumindest für die ersten 3 Monate.

Manchmal in meinem Leben vielen mir gewisse Dinge einfach in den Schoss. Mein Abi hatte ich, obwohl ich nichts dafür getan hatte mit 2,7 abgeschlossen und in Budel bewarb ich mich auf eine Stelle mit schätzungsweisen 80 anderen Leuten. Und wer bekam die Stelle ?

Ich

Also 12 Monate in Holland.

1500 DM Taschengeld. Im nachhinein betrachtet ging es mir nie wieder so gut wie dort.

Ja, ich habe die Zeit geliebt und tue es heute noch, auch wenn nicht alles Gold war, was dort glänzte.

Nachdem Jahr ging ich wieder zurück und wohnte bei meinen Eltern. Ich machte eine Ausbildung zum Industriekaufmann.
Das Verhältnis zu meinen Eltern verschlechterte sich von Woche zu Woche, bis ich schliesslich Anfang 1997 auszog und bei einem Freund unterschlupf fand. Nebenbei hatte ich einen Studienplatz in Frankfurt für Jura bekommen.
Ende August zog ich zu einem Kumpel nach Niedernhausen, den ich beim Bund kennengelernt hatte. Ich lieh mir von meiner Firma einen 7,5t LKW und fuhr zu meinen Eltern.

Ohne ein Wort zu sagen, packte ich meine Sachen zusammen und fuhr los.

Das Studium war zwar eine Katastrophe, aber ich lernte ein paar nette Leute kennen. Einer davon war Tobias.

Jetzt kommt das eigentlich interessante. Tobias hatte ein starkes Interesse für den Balkan und war dort sehr engagiert. Er organisierte Hilfstransporte und ähnliches.

Mein Interesse war geweckt.

Krisengebiete waren für mich auch schon immer interessant gewesen. Ich also mit Ihm ausgemacht, dass ich unbedingt mal mit wollte.

Im Juni 1999 war es endlich soweit.

6 Wochen Bosnien mit einem Abstecher in den Kosovo (der Krieg war gerade aus).

Da sich mein Verhältnis zu meinen Eltern wieder normalisiert hatte, bin ich am Wochenende bevor wir los wollten nochmal dorthin.
Ich habe meinem Vater einen Umschlag gegeben. Er guckte mich an „Was ist das?“ „Ist nur für den Fall das mir was passiert“ antwortete ich.
Damit hatte ich die Diskussion vom Zaun gebrochen. Ich erzählte Ihnen was ich die nächsten Wochen so machen werde.
Ich sei bekloppt meinten Sie.

Vielleicht war es das auch. Aber ich fühlte eine Leere in mir, einen Durst nach ein wenig Abenteuer der gestillt werden musste.

Inzwischen haben Sie sich damit abgefunden. Was wohl aber auch daran liegt, dass ich seit 2002 keine Reise dieser Art mehr gemacht habe.

Ich habe viel gesehen und habe noch mehr Glück gehabt. Ob es Minenfelder waren oder Schiessereien. Ich habe Sie alle überlebt und dabei vielen Menschen geholfen ein Dach über den Kopf zu bekommen.

Es hat mich menschlich unheimlich reifen lassen und ich bin dadurch abgeklärter geworden.

Wenn ich mir die Fotos so anschaue, werde ich ein wenig sentimental ( um mal wieder auf den Punkt zu kommen).

Die Erlebnisse lebe ich gerade ein zweitesmal durch und der Hammer : Ich vermisse das so sehr.
Klingt bescheuert.

Ich habe die ganze Zeit geglaubt, das ich es schaffe ohne solche Dinge auszukommen. Aber das einzige was mich davon die letzten Jahre abgehalten hat war meine Liebe zu Anna.

Die ist jetzt weg und ich wieder alleine.

Ist es da verwunderlich, dass ich mich nach der Zeit zurück sehne.

Nein, lebensmüde bin ich nicht. Das haben mich meine Eltern schon gefragt. Aber es macht einen unheimlichen Reiz aus, ziemlich viel Scheisse zu sehen und zu sehen, wie man Sie Psychologisch verarbeitet.
Das Geheimnis liegt darin, alles gesehene auszublenden und erst drüber nachzudenken, wenn man den räumlichen Abstand hat.

Das ist es was mich daran interessiert. Wenn ich heute mal wieder für die UN sog. Field Missions machen könnte, ich würde meinen Job an den Nagel hängen.

Irgendwie macht mich das jetzt traurig, das die Zeit vorbei ist.

Eins habe ich jedenfalls mitgenommen. Unseren Standardspruch:

KEIN SCHWANZ IST SO HART WIE DAS LEBEN !!!

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leben 

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Ja | Nein

2005-04-13 12:47