Willkommen auf Tagtt!
Thursday, 28. March 2024
Tagebücher » Zoe » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Zoe
2008-04-17 19:46
Das Gespräch
Als ich einige Tage darüber geschlafen hatte, beschloss ich es zu tun. Ich wollte mich vorstellen und rief Juli an, dass sie mir einen Termin besorgen sollte. Kurze Zeit später kam auch schon die Antwort, dass das Gespräch noch am selben Tag stattfinden könnte. Ich strich durch meine damalige kleine 1,5 Zimmer Wohnung und suchte nervös nach Kleidungsstücken, es war nicht so, dass ich in Eile war, aber es war da etwas, dass mich panisch machte. Dieses Gefühl, wenn man nicht genau weiß was auf einen zukommt, kennt ihr das? Ich glaube, desto jünger man ist desto intensiver spürt man es. Mit diesem hibbeligen Gefühl konnte ich wirklich nichts mehr finden. Was auch verständlich war, denn ich war der Chaot schlecht hin. Ich machte aus allem was ging ein Chaos, wahrscheinlich weil selbst in mir drin ein riesiges Chaos war. Ich fand nur die üblichen Jeans, Shirts und Pullis die ich zu dieser Zeit zu tragen pflegte. Es war nicht einfach mit dem wenigen Geld das ich hatte zu haushalten, deshalb hatte ich es mir strikt verboten, irgendwelche Klamotten zu kaufen, welche im nächsten Jahr grausam out sein würden. Ich kramte dann meine einzige schwarze Hose die ich besaß hervor und zog ein schlichtes Shirt dazu an. Ich stellte mich vor den Spiegel und die Frage, die mir nicht aus dem Kopf ging war, würde es einen Mann geben, der für Sex mit mir bezahlen würde? Nicht das ich ein graues Entlein war! Aber ich sah den blonden, großbusigen und fantastisch proportionierten Frauen auf diesen xxx-Anzeigen nicht annähernd ähnlich. Ich selbst war schon immer eine zierliche Person gewesen, aber an manchen stellen bemerkte man, dass ich gerne Gummibärchen naschte. Dazu kamen unendlich lange braune Haare, von denen ich wohl noch nie mehr als 3 cm aufeinmal gelassen hatte. Offen gesagt fühlte ich mich mehr als ein Niemand als ein Jemand. Wenige Stunden später hetzte ich durch die Stadt um pünktlich bei meinem Termin zu sein. Ich fuhr eines dieser hoch modernen Hochhäuser herauf bis fast in die oberste Etage, dort saß eine Sekretärin und geleitete mich in ein nebengelegenes Büro. Als ich den ersten Schritt in diesen Raum machte, schien mich die Wucht von Ordnern, Stapeln von Blättern und Bürokram beinahe zu erdrücken. War ich in einer Kanzlei oder etwa in einem Treuhandbüro gelandet? Eigentlich hätte mich das skeptisch machen sollen, aber ich habe nie wirklich über diese Tatsache nachgedacht, vielleicht war ich zu naiv. Ein kleiner Herr kam mir entgegen und gab mir seine Hand. Er besaß ein eher biederes und langweiliges Gesicht, seine Kleider waren geschmacklos und ebenfalls langweilig, kurz gesagt so ziemlich alles an diesem Mann war langweilig. Doch ich glaube, er hatte seine Gründe dafür. Er bot mir einen Sitzplan an und setzte sich selbst gegenüber von mir hin. Erstmal musterte er mich relativ lange, was mir ziemlich einfuhr, ich mochte es nicht besonders, wenn Menschen mich mit diesem kritischen Blick anschauten, weil mir klar war, dass sie etwas an mir auszusetzen hatten. «Wer hat Sie nochmals empfohlen?» fragte er. «Juli.» «Juli? Wer ist Juli?», innerlich in mir begann sich gerade alles was nur konnte umzudrehen. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Vielleicht war ich doch am falschen Ort gelandet. Es konnte doch nicht sein, dass Juli mich hinterging, mich gar versuchte reinzulegen. «Ah, Sie meinen Joan, sagen sie das doch.» stellte er nach kurzen nachdenken fest. Ich war noch verwirrter, doch ich akzeptierte seine Aussage, ohne etwas dazu zu sagen. Eigentlich hätte ich erwartet, dass es mich Dinge fragen würde wie: «Warum wollen Sie zu uns kommen.» oder «Was sind Ihre Erfahrungen?», doch nichts von dessen wurde ich gefragt. Stattdessen setzte er sich mit mir in einer völlig anderen Ebene auseinander. Erstaunlicherweise glaube ich, dass er testete wie ich auf menschlicher Ebene zu ticken schien. Was ich heute durchaus nachvollziehen kann. Denn um die Situationen zu meistern, welche einem in diesem Job gegenüberstehen, braucht es mehr Menschenkenntnis und Stärke als mancher zu glauben vermag. So Fragte dieser Herr mich Dinge wie: «Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?», «Haben Sie Geschwister?» oder «Welche Charakterzüge besitzen Sie?». Das mag jedem der nicht in dieser Situation merkwürdig vorkommen. Ich hätte eher gedacht, dass ich mit sexuellen Fragen konfrontiert werden würde. Aber das tat er nicht und genau das machte mich am meisten fertig an diesem Gespräch. Ich musste Dinge preisgeben, die ich nicht preisgeben wollte. Doch nach einer Stunde hatte ich es geschafft, das ganze wurde mit einem Handschlag besiegelt und dem Satz «Sie werden sich schnell einleben bei uns.». Es gab nie einen schriftlichen Vertrag, nur diesen einen Handschlag und der Tatsache, dass ich mir jetzt einen eigenen Namen aussuchen durfte. Denn in dieser Branche behält nie eine ihren eigenen Namen, aber darauf werde ich nochmal zu sprechen kommen. In einem Punkt hatte ich gelogen, als er mich gefragt hatte, ob ich Abendgarderobe besitze und sonst auch die Dinge, die dem männlichen Geschlecht gefallen, hatte ich dies bejaht. Nur ich wusste, dass ich kein Geld dafür hatte. Ein riesiges Problem, was ich nun lösen musste.

Kommentare

17:15 18.04.2008
Es gibt soviele Situationen im Leben, an die man so zurückdenkt, aber man hat sie doch immer gemeistert oder?

Mit der ganzen Agentur und genau dieser skeptischen Rolle, die ich in diese Situation hätte einnehmen müssen, werde ich mich noch beschäftigen. Hoffe die Geduld waltet bis dahin noch .
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
17:07 18.04.2008
...aufregend :))...aber warum hätte dich das büro skeptisch machen müssen?

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

15:25 18.04.2008
Ohja...ich glaube ich auch. O_O Ich bin mir nicht sicher ob ich in dieser Situation noch über meine Zukunftspläne oder Ähnliches hätte plaudern können^^
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

20:15 17.04.2008
Ich glaube, ich hätte einen Riesenbammel gehabt vor dem, was da kommen mochte...
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Zoe Offline

Mitglied seit: 15.04.2008
CH mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2008-04-17 19:46