Heute habe ich mit Herrn S. über Christian gesprochen oder - bessergesagt - über mich in der Beziehung zu Christian damals. Darüber, wie ich mich ihm untergeordnet habe, was ich mir gefallen lassen habe und darüber, dass ich so wütend bin, weil ich NIE den Mund aufgemacht habe.

Herr S. meinte dann, ich solle mir vorstellen, dass das Mädchen von damals mit im Raum sitzt und fragte, was ich ihr sagen würde. Das war ein komischer Moment, weil für mich tatsächlich irgendeine Fremde mit im Raum war, zumindest hat es sich so angefühlt. Ein kleines, verzweifeltes Mädchen, unruhig, unwissend, unerfahren. Ich hab mich plötzlich so erwachsen gefühlt, so gereift. Und am Liebsten hätte ich sie geschüttelt, in den Arm genommen, wieder geschüttelt, sie angeschrien und getröstet, ihr gesagt, dass sie das nicht mit sich machen lassen soll, dass sie etwas besseres verdient hat, dass DAS keine gleichberechtigte Beziehung ist, keine echte Liebe.

Wir haben darüber gesprochen, warum ich mich nur im Bett wirklich wohl mit ihm gefühlt habe (wobei "im Bett" wörtlich zu nehmen ist und nur bedingt mit Sex zu tun hat). Nämlich einfach deshalb, weil dann die Gefahr für kurze Zeit verbannt war, weil er mich im Bett nicht verletzten konnte, weil er kurze zeit nur mir gehörte, gezwungen war, sich mit MIR zu befassen. Ich wollte so unheimlich oft mit ihm schlafen, wohl einfach deshalb, weil ich versucht habe, ihn durch Sex an mich zu binden, ihn im wohligen Nest zu halten, so lange wie möglich. Nicht, weil er mich sexuell mehr anzog, als Felix, sondern weil es die einzige Möglichkeit war, Nähe zu erfahren.

Und ich weiß nun, dass ich nicht IHM verzeihen muss, sondern MIR. ER kann mir dabei nicht helfen, würde er wohl auch nicht tun, aber das ist auch irgendwie egal.

Ich vermisse ihn nicht, im Gegenteil. Ich wünschte, ich könnte dieses Jahr mit ihm einfach aus meinem Leben herausschneiden. Ich wünschte, ich hätte mir nach der Beziehung zu Rick eine Auszeit genommen für genau dieses Jahr und dann Felix kennengelernt. Aber schlechte Erfahrungen muss man wohl machen, um zu wissen, was man NICHT mehr möchte.

Es gibt da noch eine Menge zu verarbeiten glaube ich.

Aber ich muss deswegen kein schlechtes Gewissen gegenüber Felix haben. Weil es mit ihm einfach NICHTS zu tun hat. Felix ist toll, ich liebe ihn abgöttisch. Ich kenne seine kleineren und größeren Fehler, manche finde ich liebenswürdig, manche bringen mich zur Weißglut. Manchmal könnte ich ihn durchschütteln, nur um mich im nächsten Moment wieder an ihn zu schmiegen, weil er doch mein Kleiner ist, der liebste und tollste Mensch der Welt.

Und vor allem muss ich wegkommen, von meinem verqueren Beziehungsbild, was sich durch die Beziehung zu Christian so merkwürdig entwickelt hat.

Liebe bedeutet NICHT Schmerz.

Oder?