Mein Freund ist ein Engel und ich werde ihn heiraten.

Der Arbeitstag gestern ging gut um, ich hab mich sogar mit meiner "Lieblings"kollegin arrangiert und ansonsten wars stressarm. Hinterher flossen allerdings trotzdem die Tränen, weil ich endlich dazu kam, über die Therapiesitzung nachzudenken. Über mein geringes Selbstvertrauen, die Stimme in meinem Kopf, die mir permanent mitteilt, was für eine langweilige Schlampe ich bin, dass es kein Wunder ist, dass mich keiner mag, dass ich egoistisch und faul und unfähig bin and so on...

Und natürlich musste ich dann zwangsweise darüber sinnieren warum ich so bin, darüber, dass mein Bruder zu Hause immer der "Kleine" war und alles bekommen hat, während ich um Zuneigung kämpfe musste, leisten musste... natürlich war das wahrscheinlich nur in meinem Kopf so, aber ich habe die letzten sagen wir... 18 Jahre... so gelebt. Seit "er" da war. Und "ihn" habe ich immer abgöttisch geliebt. Herr S. meinte, dass meine Fürsorge für meinen kleinen Bruder Ausdruck von "beachtet werden wollen" sein könnte. Und tatsächlich ist es immernoch so, dass ich glaube, das man mich nur liebt, wenn ich Leistung bringe, wenigstens von früh um 9 bis Abends 19 Uhr lerne und arbeite, immer fröhlich bin, kontaktfreudig, hilfsbereit, liebenswert, stressfrei und sofort zur Stelle, wenn man mich braucht. Dazu muss ich selbstverständlich sexy sein und trinkfest und schlagfertig und am nächsten Morgen trotz durchfeierter Nacht am Besten um 8 schon auf der Matte stehen. 7 Tage die Woche.. ach, was sage ich, besser noch 8 Tage die Woche.

Das Problem bei der Sache: Das bin ich nicht. Ich schaffs nunmal nicht vor 9 oder 10 aus dem Bett und wenn ich zuviel arbeite, dann hab ich schlechte Laune und werde depressiv. Ich hab manchmal keine Lust, jemanden zu sehen, ich kann oft nicht mehr fröhlich sein, ich bin verbraucht.

Jedenfalls brach ich gestern Abend dann zusammen, schrieb an Felix, ob ich nicht doch halb 2 noch vorbeikommen dürfte und bin um eben diese Zeit, nachdem ich 9 € für ein Taxi geblecht habe weil mir dank der DB der Bus vor der Nase davonfuhr, schluchzend in seine Arme gesunken und habe ihm mein gesamtes Leid von vorne bis hinten geklagt. Und er hielt mich nur im Arm, tröstete mich, unterbreitete Lösungsvorschläge a la "Und wenn deine Eltern dir kein Geld geben, dann fütter ich dich halt durch, ich hab doch genug. Wir sind doch ein Paar!!!". Anschließend hatten wir Sex, der mir zwar keine Megaorgasmen bescherte, weil ich dazu zu müde und zu fertig war, aber wunderschön war, weil ich es so genossen habe, seine nackte babyweiche Haut, seinen sehnigen Körper, seine flaumigen Locken (die auf dem Kopf...) zu spüren, seine riesigen leuchtenden dunkelbraunen Augen zu sehen, seine Wärme in mich aufzunehmen und anschließend noch gebührend eine viertel Stunde um die Decke zu streiten und letztendlich doch mit 2 Decken, dafür in seinem Arm einzuschlafen.

Heute morgen haben wir uns dann nach wenigen Stunden Schlaf kurz vor 8 aus dem Bett gequält, trotzdem die Vorlesung verpasst, uns dafür eine Stunde in die Unibibliothek gesetzt und waren hinterher noch im Café nen Kakao trinken und ein bisschen kuscheln und quatschen.

Heute ist mein letzter Arbeitstag. Ich hab ein paar Lebkuchen und Plätzchen gekauft, werde alles was ansteht erledigen, meine Daten aus dem Speicher löschen, eine Abschiedsmail an diejenigen schicken, mit denen ich gut auskam und dann werde ich erstmal frei sein. Bin gespannt, wie sich das anfühlen wird.

Hm... in einer Stunde muss ich los. Ich werd noch ein bisschen aufräumen und die grandiosen Buddenbrooks weiterlesen.