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Thursday, 18. April 2024
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Tagebuch Vielliebchen
 1895-03-16 hh:mm
Lene Gr. war gestern morgen da...
Lene Gr. war gestern morgen da, sie wurde aber abgewiesen. Den Mittag, wir waren gerade im Begriff auszugehen, kommt Lieschen u. sagt der Gepäckträger von der Post sei da u. wolle mir eigenhändig ein Paket geben. Ich wurde ganz rot u. dachte ob Männe mir einen Brief geschrieben hat u. den eigenhändig abgeben läßt. Ich hatte das Mädchen erst verstanden "Briefträger". Ich bekam das Paket ausgehändigt u. ich verschwand oben in meinem Zimmer. Plötzlich kommt mir der Gedanke, es ist am Ende von Lau, er wollte mir nämlich einen Porzellan Mops schenken, weil wir uns auf dem Eise so sehr über die Erna Müllersbinder verlacht haben. Er nannte sie nicht anders wie das entmenschte Paar! Er behauptete sie sähen wie Möpse aus. Ich hatte richtig vermutet, erst kamen ein Veilchenstr. u. eine Theerose heraus, dann der Mops u. zuletzt auch ein Rollmops, weil er behauptet, ich mochte mich. Das war nun ein sehr arger Witz, aber er hat es nicht so gemeint, da kenne ich ihn viel zu genau dazu, er verehrt mich ja, wie er sagt. Ich bin sein Ideal u. Aphrodite. Wenn ich ihn mal sehe werde ich ihm danken.

Gegen Abend ging ich allein zu Grintler um das Geschenk für Stedman zu holen. Unterwegs begegnete mir Johanna, ich mußte ihr noch mal den ganzen Hergang erzählen. Wir gingen durch die Schloßgasse u. trafen dort Horn. Wir schimpften gemeinschaftlich auf Stedman. Er sagte Stedmann wäre seit dem Tage, wo er uns verklatscht hat, nicht in der Schule gewesen, er stelle sich krank, sonst hätten sie ihn sehen und durchgenommen. Ich sagte, ob er nicht durch das Geklatsche bei meiner Schwester gedacht habe, mich wieder auf seine Seite zu ziehen, Horn sagte aber, St. habe nachdem er das gethan, auf Schenk seiner Bude Champagner getrunken u. nachdem er schon etwas angeduselt gewesen, die ganze Geschichte erzählt u. noch hinzugefügt, ich habe das Pousieren ganz aufgegeben, Thietz hat sich ja sehr viel Mühe gegeben u. ist ja auch allem Anscheine nach an meine Stelle gerückt.’
Nun weiß ich es ja, was ich schon vorher sagte. Also war es nur ein Racheact, wie ich richtig vermutete, aber meine weisen Schwestern fanden es so schön von ihm, ihnen das gesagt zu haben. Der gute Herr scheint sich gar nicht mehr zu erinnern, daß er, wo er nur einen Zipfel von mir gesehen hat, hinter mir hergelaufen ist u. mich angesprochen hat u. auch schon mit mir nach Cubach gegangen ist.
Ich konnte gar nicht einschlafen, ich mußte immer an Stedmans Worte denken, sie lauteten beinahe so, wie damals Paul’s u. ich dachte, daß ich eigentlich doch eine große Dummheit begangen u. so Streiche gemacht habe, vielleicht wäre wirklich eine Verlobung zwischen uns zu Stande gekommen u. zwar, wenn er Herbst sein Examen bestanden hätte. Ich hätte mir zwar ausgehalten, daß er mich, so lange es Geheimnis hätte sein müssen, er sich nur mit einem Handkuß als Besiegelung des Bandes begnügen müssen. Er würde sich zwar gegen diesen Beschluß aufgelehnt haben, aber schließlich hätte er sich darein gefügt. Ja, drum glücklich ist wer vergißt was niemal nicht zu ändern ist. —

Männe begegnete mir als ich in die Stadt gehen wollte, er sagte, ob er mitgehen dürfe, ich verneinte es aber u. nachher ärgerte ich mich, daß ich nicht gesagt hatte, gehe die Ritsch rauf, dann treffen wir uns in der Langgasse, Mutter u. Schwestern hatten gar nicht gemerkt, daß ich weggegangen war. Na, gut ist gut, u. besser ist besser, wer weiß vielleicht hätte mir der Zufall wieder so einen haßerfüllten Stedman in den Weg geliefert u. das Unglück hätte sich nochmal auf mein Haupt ergossen.

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