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Tagebuch Veruca
2005-01-31 10:45
Der Kreuzworträtselmörder, Kai Meyer

Dieses Buch hat mit meine Mutter als Mängelexemplar irgendwann mal mitgebracht. Zwar hatte ich zuvor schon davon gehört, aber eigentlich weckte das Buch nicht wirklich mein Interesse. Die Thematik war noch relativ ansprechend, andererseits bin ich generell kein all zu großer Freund von Kriminalromanen. So kam es also, dass dieses Buch eine ziemlich lange Zeit ungelesen bei mir im Regal lag und ich es vor drei Tagen nur rausnahm, weil ich ein nicht zu dickes Buch auf einen Busfahrt mitnehmen wollte.

Kai Meyers Debüt-Roman hatte auf den ersten Blick gar nichts mit seinen anderen Romanen gemein.
Die Geschichte spielt zum größten Teil um 1980 in Neustadt in der DDR. Neustadt wird als eine hässliche Arbeiterstadt beschrieben, in der viele Menschen wohnen. Die Polizei beschäftigt sich hauptsächlich mit kleinen Delikten. Plötzlich verschwindet aber der kleine Sven, ein zartes, blondes Kind. Die Ermittlungen beginnen. Man geht davon aus, dass Sven das Opfer einer Gewalttat wurde und sieht sich bestätigt als Svens Leiche auf den Bahngleisen in einem Koffer gefunden wird. Der Junge wurde ermordet und dann in einen Koffer gesteckt, der mit seinen Kleidern und Papierschnipseln, einige davon ausgefüllt Kreuzworträtselseiten aus Zeitschriften.
Die Polizei beginnt mit einer großen Suche, da sämtliche Fingerabdrücke auf dem Koffer unbrauchbar sind, werden von allen Einwohnern der Stadt Handschriftproben eingesammelt. Allerdings stellt sich diese Aktion als sehr kompliziert heraus und führt lange nicht zu einem befriedigendem Ergebnis. Bis die handschriftliche Probe einer Frau aufgenommen wird, die selber nicht regelmäßig in Neustadt lebt sondern an der Küste arbeitet. Ihre Handschrift stimmt mit der des Kreuzworträtsels überein.
Die Frau und ihre Tochter werden lange verhört, schnell fällt der Verdacht auf den Freund der Tochter, Michael. Als Michael festgenommen wird ist er nach einiger Zeit geständig. Nacht zehn langen Monaten ist der Mörder des kleinen Sven endlich gefasst. In einem Gerichtsverfahren wird er zu Lebenslanger Freiheitsstrafe verurteil. Zehn Jahre verbringt er im Gefängnis, bekennt sich dort zu seinen homosexuellen Neigungen und nimmt Verhältnisse mit Männern auf. Dann wird sein Fall erneut aufgerollt. Durch das vereinigte Deutschland und dem neuen Rechtssystem ist das alte Urteil nicht mehr Rechtskräftig. Michael wird in einem weiteren Verfahren zu einer Jugendstrafe verurteil und danach in eine Psychologische Klinik eingewiesen, wo sein Sadismus therapiert werden soll.

Neben dieser Geschichte, die auf den ersten Blick etwas Prototypisch wirken mag, erzählt Kai Meyer Michaels Geschichte auf eine sehr interessante Art und Weise. Er findet keinen Entschuldigungen für die Tat, aber Erklärungen, oft in einer widerlichen Szenerie, die die Tat bereits im Vorfeld absehbar machen.
Besondere Betrachtung findet auch die Entwicklung der Eltern des ermordeten Jungen, deren Ehe an diesem Verlust letztendlich scheitert.
Ebenso greift Kai Meyer eine Person der Polizei heraus und erzählt einen Teil dessen Geschichte.
Der Roman schafft eine sehr besondere Atmosphäre. Man ist erschüttert darüber, was Michael selber zugestoßen ist, aber genauso erschüttert einen seine scheußliche Tat. Die Gefühle der Einwohner Neustadts und der ermittelnden Polizisten lassen sich sehr gut nachvollziehen.
Man bekommt auch einen Einblick in ein Rechtssystem das einem heute und besonders im westlichen Deutschland als sehr fremd erscheint.
Kai Meyer hat es geschafft, mich mit seiner Art des Schreibens so zu fesseln, dass ich das Buch innerhalb von drei Tagen fast in einem durchgelesen habe. Hier zeigen sich die eindeutigen Parallelen zu seinen neueren Büchern die ich bereits gelesen habe. Er versteht es mit seiner gut verständlichen aber auch sehr schönen und angenehm zu lesenden Sprache und seine angedeuteten Vorwegnahmen des weiteren Verlaufs der Geschichte eine ständige Spannung zu erzeugen.

Ein Roman, den ich natürlich besonders an Krimifans weiterempfehlen kann die gerne die ganze Nacht durchlesen. Zu empfindlich darf man allerdings nicht sein.
Wer in die Romanwelt des Kai Meyer einsteigen möchte sollte vielleicht erst mit einem seiner anderen Bücher beginnen, weil dieses sich inhaltlich doch sehr von den anderen unterscheidet. Aber auf jeden Fall ein sehr lesenswertes Buch, vor allem wenn man betrachtete, dass es auf wahren Begebenheiten beruht und sehr gründlich recherchiert wurde.

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2005-01-31 10:45