Willkommen auf Tagtt!
Friday, 29. March 2024
Tagebücher » Tyche » News, Bilder, Videos - Online
Tagebuch Tyche
2006-10-20 10:51
Unter Druck!
Wie drucke ich einen Brief ohne Drucker aus?
Er war fertiggestellt, endlich fertig, mein Brief, in den ich soviel reingelegt hatte, den ich noch mit einem Bild verzierte, ihn noch tausendmal durchlies, ob ich ihn so abschicken könnte und dann war da dieses Gefühl: So muss es sein, heute muss es sein, nicht morgen, heute, kein anderer Tag, kein anderes Leben.
Doch ich hatte wie so oft nichts geplant, hatte keinen Freund angerufen, verliess mich wie immer auf meinen spontanen Einfallsgeber.
Meine erste Idee, ich schicke mir eine eigene E-mail mit dem Brief an meine web.de-Adresse und drucke den Brief dann im Internetcafe aus. So drückte ich also auf Abschicken, rannte aus dem Haus, nahm mein Fahrrad und versuchte nocht vor der elektronischen Post im I-net-cafe zu sein. Autofahrer wunderten sich in der Stadt, dass sie ihr Gaspedal in die Tiefe drücken mussten, um diesen Wahnsinnigen hinter sich zu lassen. Die Straße wurde an der Ampel vor einer Autosschlange kurzerhand in rauher Mountainbikemanier verlassen, die rasende Fahrt auf dem Fahrradweg fortgesetzt, Ampelwartezeit war jedesmal wie die Sekunden vor einem Startschuss vor dem Rennen , in dem es um alles geht. Grün: Ich raste los, hatte noch vor der anderen Straßenseite durch einen phänomenalten Blitzstart alle hinter mir gelassen, suchte jetzt die schwerste und schnellste Übersetzung um meine unglaubliche Kraft in Geschwindigkeit umzusetzen, nahm noch die letzte Kurve, bremste, das Hinterteil des Rades schleuderte hoch, wir drohten uns zu überschlagen, kam endlich zum Stillstand, schnell sichern, mit rasenden Puls durch die Tür, Schweiss auf der Stirn, es geht um viel. Ich lies mir einen Cafe geben im I-Cafe, wechselte ein paar hastige Worte mit der Aufsicht, setzte mich an den PC, druckte und war enttäuscht: Es sah schrecklich aus, keine Form, wie eine ausgedruckte E-Mail eben ausssieht. Ich versuchte den Text zu kopieren, um ihn dann im Officeprogramm wieder zu öffnen, wieder ein Fehlschlag, Schweis, hoher Puls, Stress, Ungeduld:
Ich dachte: „Denk nach R..., denk nach, lass dir was einfallen, lenk all deine Kraft jetzt auf dein Denkorgan“ . Dann ein unerhörter Entschluss. Ich rief R. An, denn ich wusste er hätte heute Spätschicht. Ein bißchen verwegen, dachte ich, denn R. Kenne ich noch nicht solange. Egal, Handy raus, nicht an die Kosten gedacht wie sonst (sonst hätte ich die Aufsicht gefragt, ob ich ihr Telefon benutzen dürfte als kein Vermögen verdienender alter Sparfuchs), Nummer gewählt, eine verschlafende Stimme meldete sich, was für ein Kontras zu mir, hellwach, die weltgrößte Aufregung trifft auf die weltgrößte Verschlafenheit: Ich sagte: „Hallo R. Ich habe keine Zeit, ich habe hier einen Brief und ich bin verzweifelt, denn er muss jetzt ausgedruckt werden. Kann ich jetz mal vorbei kommen?“ eine Ewigkeit verstrich, ich hörte ihn eine Ewigkeit gähnen, hörte wie seine Synapsen knirschten wie eine alte Dampfmaschine, dann ein erstes verbales Zischen, er hatte Wörter gefunden: „Ja Ok, aber nicht jetzt sofort, so in einer Stunde“ Sehr gut, dachte ich, so konnte ich zwischendurch noch die Bilder vom Fotografen holen, die ich dem Brief beilegen wollte.
Ich war ersteinmal zufrieden, sah eine greifbare Lösung, sah den Ausdruck in einer Stunde vor mir liegen. Ich hatte noch genügend Zeit, nachdem ich die Fotos abgeholt hatte, zum Bäcker zu fahren, denn ich hatte diesen Morgen das Frühstück vergessen, wollte mir jetzt vier Brötchen gönnen. Ich betrat den Laden, beschwing, glücklich, hoffnungsvoll, strahlte die Verkäuferein an, sagte ihr, dass ich gerne vier Brötchen hätte, sie fing an zu lächeln, schien meine weltbeste Laune zu empfangen, sie überreichte mir die Brötchentüte, fragte, ob ich noch einen Wunsch hätte und ich habe mit einer nie gekannten Leichtigkeit geantwortet, dass ich jetzt wunschlos sei, sie fing an zu strahlen und ich wusste sie würde in diesem Moment meine Gefühle geteilt haben, war nun Unwissende Mitwisserin und sie würde durch meinen Brötchenkauf einen leichteren Tag haben.
Ich raste nach Hause, aß die Brötchen, war jetzt gestärkt, schwang mich wieder auf meinen Drahtesel, der noch schnaubte von der bisherigen Hetzfahrt, und ich raste wieder durch die Stadt, ein Berg, ein waghalsiges Überholmanöver eines alten Mercedesfahrer, der immer langsamer wurde , ohne mir ersichtlichen Grund, ich dachte noch schnell, dass die Batterie seines Herzschrittmachers möglicheweise erneuert werden müsste, trat in die Pedale, als wenn ich versuchte eine alte Eiche mit dem Fuß zu entwurzeln, und kam verschwitzt bei R. an.
Ich klingelt bei R. , er sah wach aus, wir schalteten den PC an und es stellte sich raus, dass mein Dateiformat nicht zu öffnen ist, ich verzweifelte, saß da, sagt mir wieder: Denk nach, Denk jetzt nach. Dann ein Entschluss: Ich kaufe mir einen Drucker, jetzt sofort. Ich pedalierte wieder durch die Kleinstadt, das Rennen ging weiter, ich kam an dem Geschäft an, schaute mir die Drucker kurz an.
Pixelzahl, Preis, Patronenpreis. Mehr musste ich nicht wissen. Ich wählte ein Modell aus und zählte dann meine Geld. Der Drucker sollte 80 kosten, ich hatte 84 dabei: das geht. Her mit dem Ding.
„Haben sie ein USB-Kabel?“ fragte mich die Verkäuferin. Hatte ich nicht. Noch mal 3.99 fürs Kabel. Ich war pleite aber glücklich, es sollte so sein, warum sonst hatte ich 84 Euro in der Tasche, um nach einer wahnsinnigen Irrfahrt durch die vormittagliche Kleinstadt, wenn nicht, um diesen Drucker zu kaufen, der zu guter Letzt auch noch das letzte vorrätige Modell war. Es sollte so sein, es war Schicksal. Ich war glücklich, klemmte den großen Carton unter den einen Arm, schob mein Fahrrad mit dem anderen Arm und ging, ging ganz langsam und spürte intensiv die für einen Oktobertag ungewöhnlich warme Oktobersonne, ich war jetzt ganz bei mir.
Und ich dachte, möglicherweise wirst Du die Geschichte des Briefes ohne Drucker bald drucken.
Guten Druck wünsche ich allen.

Tags

leben 

Kommentare

07:43 21.10.2006
Danke für dein Verständniss FEeDER.
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
01:33 21.10.2006
Ich hab das letzte halbe Jahr auch ohne Drucker verbracht. Es war echt die Hölle. Wir schreiben nunmal viel hier im Pc und einiges davon muss/soll/kann ausgedruckt sein. Deinen Aktionismus diesbezüglich kann ich ebenso gut nachvollziehen wie den spontanen Kauf. Hab jetzt seit 2 Tagen auch wieder einen und endlich freu ich mich mal wieder so richtig über einen Gegenstand der Gegenstände produziert über die ich mich freue.

Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

11:40 20.10.2006
Hab zuhause auch keinen Drucker - will ja meine Handschrift nicht vollständig verlieren ... aber dennoch: bewundernswerter Einsatz!
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

11:38 20.10.2006
Handschriftlich habe ich es auch schon probiert doch da ich immer wieder dachte, dass ist schlecht geschrieben, musste ich immer wieder neu anfangen, wenn ich nicht wollte, dass jedes zweite Worte durchgestrichen ist, sieht ja schrecklich aus und wer weiss, ob meine Schrift immer lesbar ist, jedenfalls hatten die Lehrer immer große Probleme.
Und ich liebe Hetzfahrten mit einem schönen Ende. :)
Auch dir danke ich für den Druck und drücke einfach mal zurück :)
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
11:30 20.10.2006
Mein lieber Tyche, ich besitze auch keinen Drucker und soll ich dir verraten, wie ich Briefe auf´s Papier bekomme?
Ich schreibe sie mit einem Füller in meiner rechten Hand einfach drauf
Damit spare ich mir Hetzfahrten durch Städte und 83,99 Euro für einen Drucker...ist ganz leicht, probiere es mal aus ...ansonsten fühl dich mal " gedrückt "...


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

11:19 20.10.2006
Ja, er druckt sehr schön.
Danke für den kameradschaftlichen Druck Claudius...
:)
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen


unbekannt
11:14 20.10.2006
Hallo Tyche!
Ich hoffe und wünsche Dir, dass Dein Drucker Dir jetzt das gewünschte Ergebnis ausdruckt ..... ohne weitere Probleme!
Dass Du bisher ohne Drucker ausgekommen bist, verwundert mich aber ein wenig!
GLG ...... und lass Dich mal kameradschaftlich drucken!


Kommentar löschen
Soll der Kommentar wirklich gelöscht werden?
Löschen | Abbrechen

Kommentieren


Nur für registrierte User.

Tyche Offline

Mitglied seit: 14.04.2006
DE mehr...
Wirklich beenden?
Ja | Nein

2006-10-20 10:51