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Tagebuch Tyche
2006-09-07 23:08
Herbstblätter
Die Couch ist Sommer. Das Hochbett ist Herbst und Winter. Der Frühling irgendwo dazwischen.
Auf der Couch liegen Zeitschriften und Bücher. Der Herbst kündigt sich immer so an. Die Blätter fallen, angezogen da, wo ich liege auszgezogen.
Ich hebe sie auf und lese:

"Sehet bei Pallenberg, was ein Hut für ein unfassbar lächerliches Ding ist! Und wie lächerlich ein Rock ist! Und ein paar Stiefel! Und ein Sessel mit einer Fläche eigens für den Popo! Und ein Mensch auf dem Sessel, den Leib zweimal im rechten Winkel unbeschreiblich skurril abgebogen!.... Und ein Mund mit dem Zungenklöppel drin, der etwas bim-bamt, was die andern in Wut oder Heiterkeit versetzt! Und ein Essender, wie er in ein eigenes auf- und zuklappbares Gesichtsloch hineinstopft und -schüttet! Und ein Herz, das ein paar Jahrzehnte lanf auf-zu- auf-zu macht, bis es, unter großem Geschrei und heftiger Augenwasser-Sektretion Umstehender, endlich seine blöde Beschäftigung einstellt, worauf der abgespielte Mechanismus samt Gehäuse in einen Kasten gelegt und wie ein Schatz in der Erde vergraben wird. Sehet Pallenberg, wie höllenabrundtief-lächerlich es ist, ein Mensch zu sein, so zu sein, da zu sein, zu sein!"
Die Puppe hängt an Fäden und bewegt sich automatenhaft, gesteuert von unsichtbaren Händen. Lächerlich, Traurig. Lächerlich und Traurig.
Puppenmenschen mit Puppengefühlen.
R. war nie ein Puppe für mich. R. bewegte sich immer anders. R. machte nie Bewegungen eines Rappers, eines rauchenden Taxifahrers, eines geschäftstüchtigen Verkäufers, eines Obdachlosen...
R.war R.. R.machte die Reifeprüfung wie ich. R. schrieb folgendes und es fiel schon vor dem Herbst, dieses Blatt und es war schon vermodert:
"Der schwarze Scherge wies auf die, die er soeben zum Fegefeuer verdammt hatte, er wies auf Wehrlose, auf Frauen, Kinder und Alte.
`Wer nicht schweigt und schiesst`, schrie er, `darf sich dazustellen!` Ohne einen Gedanken zu verlieren, ohne Zögern oder Zweifel entsicherte die Jungen ihre Karabiner. Sie wußten, was zu tun war.Sie legten an und drückten ab. Keiner wollte als Feigling dastehen. Sie wußten, was sie taten, und wußten es nicht. Sie führten Befehle aus. Und Befehl sei Befehl! So hatten sie es gelernt.

Die kleinen Killer kannten keine Hemmungen. Sie ballerten sich in einen Blutrausch. Immer wieder mußten sie nachladen. Sie zitterten vor Aufregung, sie versuchten, die Zeit des Nichttötens so kurz wie mögliche zu halten. Nur einmal zögerte Horst Ballwanst. Ihn blendete das Kreuzamulett auf einer Opferbrust, auf die er zielte. Der Schütze hob sein Gewehr und schoß der Frau in den Kopf."

R.verteilte im Herbst Blätter, auch an mich, in denen es um revolutionäre Gedanken ging. Dies war lange vor unserer gemeinsamen Reifeprüfung und ich verstand nicht, denn ich war noch zu berauscht von den Farben der Blätter des Herbstwaldes damals.
Wir lebten in der Stadt, in der ich jetzt wieder lebe. Die Stadt in der Horst Ballwanst Polizist ist. Am Strand fand ein Kind ein Skelett und Horst Ballwanst kam an den vermeidlichen Tatort. Er untersuchte das Skelett und fand ein Kreuzamulett. Er übergab sich....

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leben 

Kommentare


unbekannt
00:38 08.09.2006
Tyche.....schlimme Worte fielen soeben in mein Haupt; schlimm schreibe ich deshalb, weil sie direkt weiter in mein Herz rutschten und dieses Wort dort formulierten....hätte ich doch den Schirm aufgespannt....schlaf gut :)

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2006-09-07 23:08