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Thursday, 18. April 2024
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Tagebuch staunistauni
 1989-09-23 hh:mm
Jetzt wird`s ernst

 

Am 19. September 1989 durften die Schefflers beim Volkspolizei-Kreisamt die Reisepässe in Empfang nehmen. Sie wollten es gar nicht glauben. Alle hatten die Genehmigung erhalten. Auch Mutter Lotti, Peter und Karin. Sogar Jörg hätte, allerdings ohne seine Familie, fahren dürfen. Doch der hatte im Moment viel Wichtigeres zutun.

Wenn nun alles reibungslos ablief, würden Helmut und Elvira in wenigen Tagen im Westen sein. Sie kauften sich neue Taschen und Koffer und trafen die letzten Vorbereitungen. Sie hatten Glück, noch zwei Koffer und zwei Taschen zu bekommen, denn in dieser ausreisefreudigen Zeit waren auch diese Artikel Mangelware geworden.

Der letzte Arbeitstag vor dem Urlaub rückte heran und sie konnten es alle beide noch nicht glauben, dass dies der letzte Tag im sozialistischen Betrieb sein würde.

Als Elvira an diesem Tage ihren Arbeitsplatz verließ, war es ihr zwar wehmütig ums Herz, doch sie spürte genau, dass der Entschluss, für immer wegzugehen, der Richtige war. Zum ersten wollte sie nicht das Gleiche wie ihre Mutter durchmachen, als ihr großer Sohn über die Grenze ging, und zum zweiten war es endlich die Entscheidung f ü r ihre Familie. Endlich würde sie wieder ohne ein schlechtes Gewissen leben können. Diesem „Doppelleben“ musste endlich ein Ende gesetzt werden.

Mit kühlem Kopf und heißem Herzen lief sie zum letzten Mal den Weg vom Bürohaus des Betriebes bis zum Pförtner. Obwohl sie genau wusste, dass hinter einem Fenster sehnsüchtige Augen darauf warten, ging sie mit Tränen in den Augen vorwärts, ohne sich noch einmal umzusehen. Und wieder kamen ihr die Worte in den Sinn:

Immer weiter....immer weiter!“

 

Mutter Lotti schlief am Sonntag vor der Abfahrt bei ihren Kindern und obwohl sie sonst immer einen „Riecher“ für Situationen hatte, bekam sie nichts mit.

Am nächsten Tag fuhren sie nun mit der unwissenden Mutter vom Dresdner Hauptbahnhof ab. Da der Zug kein Durchgangszug war, mussten sie in Ludwigslust noch einmal umsteigen. Mutti wunderte sich: „Ihr habt ja einen Haufen Gepäck!“ Da sagte Helmut: „Ja, ich habe gehört, dass es kalt werden soll, da haben wir uns dicke Unterwäsche mitgenommen!“.

Bis hierhin war es Elvira gut gegangen, doch plötzlich wurde es ihr auf dem Bahnsteig fürchterlich schlecht. Sie hatte darüber nachgedacht, dass genau an diesem Tag das Ungarnvisum von Dirk ablaufen würde. Morgen fiel sein Fehlen in der Arbeit auf. Was würde mit der Familie von Jörg passieren?

Ein Gedanke jagte den anderen. Hätte sie noch dazu gewusst, dass Helmut das ganze restliche Westgeld im Schuh und sein Facharbeiterzeugnis „Berufskraftfahrer“ im Geldbeutel hatte, dann wäre die Angst bis ins Unermessliche gestiegen.

Nur jetzt nicht, kurz vor dem Ziel, schlappmachen!“ Sie holte tief Luft, nahm sich zusammen: „Immer weiter,.......immer weiter,.........

 

Endlich kam der Anschlusszug und sie kamen tatsächlich ohne Kontrolle über die Grenze. Noch war es ihnen unwahrscheinlich, dass dies ein Abschied von Dresden für immer gewesen sein konnte.

Hamburg-Hauptbahnhof: Als die drei aus dem Waggon stiegen, fielen Ingrid und Hans-Jürgen ihnen voller Freude in die Arme. Plötzlich kam von hinten Dirk, den sie über drei Wochen nicht gesehen hatten auf sie zugerannt. Das war ein glückliches Wiedersehen! Nur Lotti Schrader sagte zu ihrem jüngsten Enkel: „Das finde ich aber gar nicht schön!“ Sie hatte begriffen, dass Dirk nun nicht mehr mit zurück nach Dresden kommen würde. Dass auch ihre Elvira und Helmut nicht mehr zurück wollten ahnte sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Das wollten die beiden ihr später ganz vorsichtig beibringen.

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1989-09-23 hh:mm