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Tagebuch staunistauni
 1989-08-25 hh:mm
Geheime Vorbereitungen für den Tag X

 

Als erstes wurde ein geheimer Treff mit den norddeutschen Verwandten in Berlin geplant. Ohne lange vorherige Anmeldung durften neuerdings Westdeutsche mit einem Tages-Passierschein nach Ostberlin kommen. So eine Reise bedeutete für die Westler: Fahrt von Hamburg bis zum Grenzübergang zur DDR, Weiterfahrt bis zum Grenzübergang nach Westberlin, Weiterfahrt bis zum Grenzübergang Ostberlin. Das Ganze dann am Abend wieder zurück. Sie mussten also an einem Tag sechsmal eine Grenze überschreiten, das hieß viele Kontrollen über sich ergehen lassen.

Seit kurzem brauchte man Telefongespräche in die BRD nicht mehr über das Fernmeldeamt anzumelden, sondern konnte, wenn man das Glück hatte, ein eigenes Telefon zu besitzen, versuchen, den Gesprächspartner durch Selbstwählen zu erreichen. Schefflers hatten seit kurzer Zeit über gute Beziehungen zu einem Beschäftigten des Fernmeldeamtes einen Telefonanschluss bekommen.

Nach geduldigem Wählen (manchmal klappte es nach mehr als einer Stunde) schafften sie es und vereinbarten mit ihren Verwandten einen Treff an einem Berliner Grenzübergang.

Am verabredeten Übergang in Berlin blieben alle vier Schefflers, weil noch genügend Zeit war, im Auto sitzen. Helmut, der sehr wachsam war, zeigte mit einer Geste, dass keiner ein Wort über das geplante Vorhaben verlieren sollte. Er hatte beobachtet, dass sich neben sein Auto ein Pkw vom Typ „Lada“ mit zwei Herren an „Bord“ gestellt hatte. Diese stiegen abwechseln mal aus, schlichen um die Autos herum und setzten sich dann wieder in den“ Lada“. Helmut vermutete ganz stark, dass die Herren von der Stasi waren und den Auftrag hatten, am Grenzübergang Leute, die sich treffen, zu belauschen. Die Hamburger wurden also auch gleich vorgewarnt. Sie sprachen nur über belanglose Dinge und fuhren dann in den „Treptower Park“. Diese große Parkanlage konnte man auf keinen Fall lückenlos bespitzeln. In der Nähe des Ehrendenkmals verkündeten Schefflers den Verwandten ihre Absichten und bekamen sofort volle Zustimmung. Sie verlebten zusammen einen schönen Tag in Berlin und besprachen aufgeregt die notwendigsten Dinge.

Ab jetzt galt es, alles für den „Tag X“ vorzubereiten. Mutter Lotti durfte allerdings nichts davon mitbekommen, weil sie dann mit allen Mitteln versucht hätte, ihre Lieben von dem Vorhaben abzubringen.

Selbst Bruder Peter erfuhr nichts von dem geheimen Plan. Je mehr Menschen davon wussten, destro größer die Gefahr, dass, wenn auch ungewollt, etwas herauskommt.

Peter hatte mit seiner Frau ebenfalls die Reise zur Silberhochzeit eingereicht und so nahmen die Schefflers ganz stark an, dass sie ebenso ein Bleiben planten, da ihre einzige Tochter in Essen wohnte. Für Mutter Lotti, so hatten sie sich in Berlin besprochen, würde es, wenn die Tochter im Westen bliebe, keine Frage geben. Sie würde auch nicht mehr zurückfahren. So dachten jedenfalls zwei ihrer Kinder.

Jetzt trafen sie die ersten Vorbereitungen. Alles in der Wohnung blieb bis zum letzten Tag äußerlich völlig unverändert. Sie packten alles (Fotos, Erinnerungsstücke usw.) auf eine bestimmte Schrankseite und machten darüber eine Aufstellung. Darin war festgelegt, auf welche Dinge, sie wenn es dann dazu käme, Wert legen würden. Jörg, der ja die Ausreise schon genehmigt bekommen hatte, versorgte sich etliche Teekisten mehr und würde für den Fall, dass die Eltern nicht zurückkommen, diese Gegenstände mit einpacken. Außerdem erhielt er das restliche Geld, was noch auf dem Konto war und sollte für sich und seine Familie neue Haushaltgeräte und Kleidung einkaufen. Alles wurde bis ins Kleinste geplant und nach außen lebte die Familie bis zum letzten Tag so weiter wie immer.

So richtig glaubte niemand daran, dass dieser verrückte Plan wirklich aufgehen würde.

Die meisten Jugendlichen, die erst vor kurzem ein Reisevisum nach Ungarn beantragt hatten, mussten dieses, aufgrund der sich zuspitzenden politischen Lage, wieder zurückgeben. Dirk aber hatte Glück, er hatte den Antrag schon im zeitigen Frühjahr gestellt. Es war also glaubhaft, dass er in Ungarn nur Urlaub machen wollte.

 

 

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