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Tuesday, 16. April 2024
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Tagebuch staunistauni
1966-04-03 hh:mm
Elvira muss haushalten lernen

 
Elvira erholte sich eigentlich nie richtig von den Strapazen der Geburt und da sie ständig müde war, hatte sie oftmals das Gefühl, ihrem Kind eine schlechte Mutter zu sein. Dabei liebte sie ihren Jörgi über alles. Er war so süß, entwickelte sich prächtig und konnte so niedlich lächeln. Doch irgendwie hatten ihre Nerven gelitten. Abends kam sie erst gegen dreiundzwanzig Uhr ins Bett und morgens konnte sie darauf warten, dass sich das Baby so zwischen Vier und Fünf meldete. In den Stunden dazwischen schlief sie auch nur unruhig, weil sie immer besorgt darauf acht gab, ob der Kleine auch noch atmete. Darin steigerte sie sich so, dass sie von nun ab in ständiger Angst lebte und überhaupt nicht mehr richtig zur Ruhe kam. Sie suchte für sich selbst die Ursachen ihrer Ängste und meinte, es käme davon, dass sie eben keine gute Mutter wäre und vielleicht lieber arbeiten gehen sollte, um wieder einen anderen Gesichtskreis zu bekommen. Geld fehlte inzwischen auch in der Haushaltskasse, denn fünfhundert DDR-Mark waren für eine dreiköpfige Familie äußerst wenig. Sie bezahlten zwar nur knapp vierzig Mark Miete, mussten aber wirklich gut wirtschaften, um von einem Gehaltstag zum anderen zu kommen. Zwei Jahre lang konnte Elvira nur die notwendige Kleidung für das Baby kaufen, für die Großen selbst gab es in dieser Zeit nicht ein einziges neues Kleidungs- oder Wäschestück. Das Umstandskostüm, das sich Elvira selbst genäht und monatelang getragen hatte, musste sie enger machen und weiterhin tragen, weil die andere Kleidung wegen ihrer Gewichtszunahme nicht mehr passte. Nicht mal eine Eistüte konnte sich die junge Frau bei den Spazierfahrten mit dem Kind leisten.

Damit sie zum ersten Weihnachtsfest ein paar kleine Geschenke kaufen konnten, verkaufte Elvira sogar ihre so mühsam ersparte Nähmaschine.

 

Schwägerin Karin, die seit 1963 mit Bruder Peter verheiratet war, hatte ein Jahr vor Jörgs Geburt, ihre Tochter Sabine bekommen. Peter musste in dieser Zeit seinen Dienst bei der Volksarmee leisten. Durch diesen Verdienstausfall für achtzehn Monate standen die drei finanziell auch nicht besonders da.

An einem Wochenende, kurz vor dem Gehaltstag wussten Helmut und Elvira nicht mehr, wie sie über das letzte Wochenende kommen sollten. Da machten sie sich auf den Weg zu Peter und Karin, um sich ein paar Mark zu leihen. Aber sie hatten Pech. Denen ging es ganz genau so. Peter sagte: „Ich hatte gerade vor, zu euch zu kommen und mir etwas zu borgen“.

Nun war guter Rat teuer. Die Vier machten eine Bestandsaufnahme und legten alles vorhandene Geld auf den Tisch. Dann beratschlagten sie das weitere Vorgehen.

Helmut schlug ein preiswertes Essen vor und machte sich gleich an die Arbeit. Er rieb Kartoffeln, Öl war vorhanden, Quark war billig. Er briet nun für sechs Leute Kartoffelpuffer ( in Sachsen Klitscher genannt). Für den Sonntag planten sie Goulasch mit mehr Soße als Fleisch. Etwas billige Wurst und sogar ein paar Flaschen Bier für den Abend fielen auch noch ab. Es wurde ein wunderschönes und lustiges Wochenende zu sechst.

 

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