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Tagebuch Silvanus
2005-09-15 22:42
Transitio
Warum beginne ich immer mit den Schattenseiten? Ist es die Musik, die Lust am Leid oder das dumpfe Gefühl, seit Wochen nicht wach geworden zu sein?
Jedenfalls sollte ich auch vom Rest der Woche erzählen.
Freitag habe ich zum ersten Mal seit langem A. wiedergesehen. Sie wollte mich schon lange anrufen, hatte mich nicht erreicht, als ich in Rumänien war, als es ihr schlecht ging und sie sich unter Druck gesetzt fühlte. Es war wieder so schön, sie zu sehen. Ich weiß nicht warum, aber manchmal habe ich fast Angst davor. Es gibt nur wenige Menschen, die mich schon immer so gut verstanden haben, und wohl kaum jemanden, an den ich so konstant so viele Gedanken gerichtet habe, über all die Jahre. Früher war es Schicksal, wenn wir uns gesehen haben. Jetzt fliehe ich manchmal davor. Vielleicht versteht sie es falsch, aber ich glaube nicht. Gut möglich, dass sie immer noch so viel für mich empfindet wie ich für sie, und das macht mir Angst. Sie und ich, dachte ich immer, das wäre zu perfekt. Ich habe Angst vor Perfektion. Angst, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Den heiligen Gral anzurühren. Lieber bleibe ich Kind. Ich benehme mich wie einer der Affen aus William Blake's "Marriage of heaven and hell", so scheint mir. Als ob ich je Angst vor Veränderung gehabt hätte. Aber mir fällt es schwer, zwischen Ungewissheit und Ewigkeit zu unterscheiden.

Samstag und Sonntag war Museumsfest in E. Das beste, was mir seit Wochen passiert ist. Nicht nur, dass wir so langsam ein gewisses Ansehen in der "Szene" haben und man uns nachts einfach mal ein Museum anvertraut (trotz Met und Konsorten). Ich lerne die anderen "Ask"ler immer besser kennen und fühle mich wirklich wohl mit den Leuten. Wie auch in diversen Internetforen spüre ich deutlich meine "diplomatische" Seite, für viele bin ich Sympathieträger, mir wird eigentlich nie etwas negatives angelastet und ich kann oft sogar vermitteln. Ich mag das.
Langsam werde ich auch vor Publikum routinierter, kann mein Wissen vermitteln, komme mir bei diesen Veranstaltungen nicht als Randfigur in unserer Gruppe vor. Es dauert noch, bis ich meine Ausstattung so habe, wie ich es will, aber ein Anfang ist gemacht. Ich weiß, was ich tun muss und das Ziel ist klar. Mehr und mehr entdecke ich meine handwerkliche Seite. Für die Archäologie ist das gut, ich stelle immer mehr Fragen, weil mich die Dinge jetzt mehr interessieren, nicht mehr nur das "was" sondern vor allem das "wie", mehr und mehr Geschichten entstehen in meinem Kopf, was ich lerne, wird persönlicher.

Montag bis mittwoch war ich bei T. im Schwarzwald. Für mich wieder eine seltsame Erfahrung, mit einen Menschen, den man eigentlich seit Monaten kennt, aber eben nur aus dem Internet, gleich mehrere Tage zu verbringen. Aber das Experiment ist geglückt. Zwar hatte ich das Gefühl, aus meiner momentanen Gefühlswelt herausgerissen zu sein, weshalb ich oft in einer seltsamen Stimmung war, aber das etwas andere Denken hat mir auch einiges klargemacht. Vielleicht lag es an der Art, wie T. hinter jeder meiner Äußerungen Gedanken vermutete, die oft gar nicht da waren. Interessant, von jemandem beobachtet zu werden, der mich bisher nur ohne meine Gestik kennt. Anscheinend wirke ich sehr hintersinnig oder sogar schizophren. Ich will es fast abstreiten, aber dieser ständige Grundstrom an widerstreitenden Gedanken ist immer da, ich blende ihn nur bewusst aus. Ich denke ständig, vieles gleichzeitig, da ist die Frage "an was denkst du?" niemals leicht zu beantworten, und die selten ehrliche Antwort oft nicht angenehm.
Mittwochs im Zug, auf dem Weg nach T., musste ich wieder an den selben Satz denken wie montags schon, unterwegs.
"Was ist dieser Ort?
Nichts als ein Wort.
In einer Zeit
die sich dem Ende neigt?"

Eigentlich wollte ich heute nach S., aber ich bin entsetzlich langsam darin, mich auf mehrere Wochen zuhause vorzubereiten. Irgendetwas hat mich ständig abgehalten, meine Sachen zu packen, stattdessen sitze ich vor mich hin sinnend hier und hoffe, dass ich morgen in der Lage bin, zu gehen. Viel habe ich schon geplant, viel ist für mich geplant worden, zu viel. Es ist mir jetzt zuwider, Erwartungen erfüllen zu müssen, auch wenn ich sie gern erfülle. In Momenten wie diesem fällt es mir schwer, die Initiative zu ergreifen, und sei es nur, um etwas zu essen.
Stattdessen ekle ich mich selbst an, aber das hilft nichts.
Ich muss gehen. Jetzt oder nie.
Wenigstens morgen.
Bin unterwegs.

current mood: hypnotized
current music: Neurosis, "Left to wander"

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