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Tagebuch Silvanus
2005-12-14 22:09
Dead Can Dance


Es war am 27. März diesen Jahres, fast neun Monate her.
Ein Tag auf den wir lange gewartet hatten. Ich bin mit vielen Freunden nach München gefahren, um Dead Can Dance in der Philharmonie zu sehen.
1998 habe ich sie kennengelernt, wir hatten eine Kassette von ihnen zuhause rumliegen, und die habe ich rauf und runter gehört, meistens, während ich mir Mittelalterklamotten genäht und von schönen Märkten und Festen geträumt habe.
Im Lauf der Jahre habe ich mir nach und nach beinahe alles von ihnen zugelegt, und diese Musik wurde immer wichtiger für mich. Ich begann, mich mit Traumdeutung auseinanderzusetzen, selbst Lyrik zu schreiben und ernsthafter als bisher zu malen, und die Musik von Dead Can Dance begleitete mich dabei, wie viele andere auch. Und immer hatte sie für mich auch eine starke erotische Ausstrahlung; immer noch gibt es wie ich finde kaum Musik, die man besser beim Sex hören kann als Dead can dance.

Das Problem war, dass exakt in dem Jahr, als ich und meine Freunde begannen, die Band für uns zu entdecken, bekannt wurde, dass sie sich aufgelöst hätten. Zunächst waren wir noch zuversichtlich, dass sich vielleicht noch etwas ergeben würde, aber sechs Jahre lang geschah exakt nichts.
Sicher, beide waren nicht untätig, Lisa Gerrard machte mit Soloalben und Soundtracks (z.B. "Gladiator") viel von sich reden, wurde wohl so erst (wenn überhaupt) dem Mainstream-Publikum bekannt, und Brendan Perry veröffentlichte "Eye of the Hunter", aber so gut ihre Alleingänge auch waren, die Magie, die Vereinung zweier völlig verschiedener Talente, die DCD ausgemacht hatte, erreichten sie nie wieder- wollten sie wohl auch nicht.
Dann Ende 2004 wurde auf obskurem Wege bekannt, dass es eine Tour geben solle, ob es danach weiterginge, wusste niemand (weiß ich bis heute nicht), und wir machten uns daran, Karten zu besorgen, koste es, was es wolle. Ich konnte nicht anders, sechs Jahre lang hatte ich mir gesagt, dass ich das wohl nie erleben würde.

Und schließlich saßen wir in der dunklen Philharmonie, ich zwischen J. und N. Mit J. verbindet mich ein fast familiäres Vertrauen und schon immer auch eine wunderbare Faszination, die ich nicht missen möchte. Ich könnte ihr wahrscheinlich alles von mir sagen und sie würde mich nur umarmen und versuchen, mir zu helfen. Manchmal habe ich fast Schuldgefühle, so sehr wie ich mich schon bei ihr ausgeweint habe.
N. lernte ich in einer sehr schlimmen Zeit erst richtig kennen und sie half mir, es zu einer guten Zeit zu machen, zu einer, an die man sich trotz allem gern erinnert. Ich war so dankbar, hatte den Wunsch, sie besser zu kennen... und irgendwann wühlten wir nächtelang in unseren Erinnerungen. Ein einziger verzweifelter Abend, an dem mehr geschah und wir beide uns mehr wünschten. Danach sahen wir uns nicht, waren beide weg, und führten lange Gespräche, es ging uns schlecht. Verwirrung, ich plötzlich fluchtartig verliebt, gebunden, und redete mir ein, glücklich zu sein, ich wollte mich selbst kontrollieren, nichts zulassen und mich nicht entscheiden müssen und ich meinte, nicht anders zu könnten. Ich sagte es ihr, verzweifelt, unfähig, und sie war traurig, aber es war meine Entscheidung..
Und nun saß sie wieder neben mir und liebte mich vielleicht immer noch. Und ich sie, und hasste mich für meine Feigheit.

Dann fing das Konzert an und alles war vergessen. Ich freute mich, mit beiden, die für mich so verschieden und doch so wichtig sind, und mit all den anderen, diesen Abend zu erleben. Ich war gebannt von den Farben und der Reinheit des Klangs, vom andächtig stillen, dunkel gekleideten Auditorium im Konzertsaal, nichts war zu hören außer der Musik. Aber ich wagte nicht, ihre Hand zu nehmen, auch wenn mir das viel bedeutet hätte.

Jetzt bin ich alleine, es ist dunkel und ich höre endlich die Aufnahme vom Konzert, die an diesem Abend gemacht wurde. Es ist einer dieser Abende, an denen ich um die Schönheit eines Moments trauere und mir wünsche, ich hätte diese ganze Schönheit in mich aufgenommen und wäre aufrichtiger gewesen.
Und ich freue mich unter Tränen, dass ich diese Lieder kenne und so erdrückende und schöne Erinnerungen mit ihnen verbinden kann.

I can feel and return no more
but once and ever
in this lasting dream

current mood: retrospective (and further, I hope)
current music: Dead Can Dance, "Crescent"

Kommentare

21:09 15.12.2005
@ PloedeQ
Glaub nicht, ich hätte das freiwillig genommen. Ich mach ja so einiges, aber Synthetik- njet. Der Nebenwirkung war ich mir nicht bewusst, bis ich plötzlich diese lustige außerkörperliche Erfahrung mit anschließendem Lachkrampf bekam und meine Freundin doch arg irritiert war...

@ gretel
Wenn ich nicht ständig dran denke, geht es schon in Ordnung. Aber manchmal...
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21:03 15.12.2005
tragisch. da kann ich gar nicht mehr zu schreiben
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20:41 15.12.2005
Hab grade mal nach dem Tribute geschaut und das hört sich doch sehr interessant an, vor allem Antimatter, Gathering, Anathema und Ulver.
Die Arcana-Version von 'In the wake of adversity' hab ich sogar schon live gehört, ist mir allerdings zu nahe am original und sie sind nunmal nicht Dead Can Dance, auch wenn sie das seit Jahren versuchen...
danke jedenfalls für den Hinweis- du Mann vom Fach! :)
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20:25 15.12.2005
Ja, wir sehen uns sehr oft, aber nicht wirklich intensiv. Liegt auch ein bisschen an mir, ich mag es nicht, ständig an meine Fehler erinnert zu werden.
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20:18 15.12.2005
ohjaa - kenn' ich, aber lange nicht mehr gehört...
wusstest du übrigens, dass es auch noch eine dcd-tribute-scheibe gibt
- ist aber nur partiell wirklich geniessbar oder interessant..
aber gehört ganz an den anfang : toller text - freue mich daran wie darüber...
hm - und "nachbessern" ...manchmal geht das ja...noch kontakt zu N. ?
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unbekannt
19:49 15.12.2005
ne, die kenn ich nicht - muß ich mich erst schlau machen. Zeckenbissantibiotikum?? - das probier ich aber nicht aus *lach*



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19:04 15.12.2005
Danke fürs Schicken...
ach, das ist gar kein Unsinn. Bei Ariadne fühl ich mich immer "gelborange" und da sind ganz viele Seifenblasen oder Murmeln, so genau weiß ich das nicht.
Über meiner Existenz geschwebt bin ich auch einige Male, aber am heftigsten, als ich Sex während Wirkzeit des Zeckenbiss-Antibiotikums hatte... :D


Kennst du die Trilogie am Anfang von "Spleen and Ideal"?

"De profundis"- Tiefe Schluchten und Höhlenlabyrinthe, der Abstieg ins Erdinnere führt vorbei an stummen Pilgern, nackt unter ihren schwarzen Kutten. Ihr Atem dröhnt in den Ohren, und mit jedem Schritt steigen Pythias Dämpfe dunkel in den Geist...
"Ascension"- Eine lange, steile Treppe inmitten einer Höhle, über bodenlosem schwarzem Abgrund, an deren Ende auf einer Felsnadel ein Steinthron, ein einzelner Lichtstrahl aus einem Spalt in der Decke fällt darauf... Erhebung...
"Circumradiant dawn"- Im Olivenhain, an den Hängen einer Kykladeninsel. Der Morgenreif liegt auf den silbrigen Blättern, die leicht im Wind zittern. Über den Wassern, im blaugrauen Dunst weit im Osten, streut Aurora Rosen in Sols Weg...
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unbekannt
17:59 15.12.2005
bist du auch schon mit(bei) 'Ariadne' als Beobachter deiner Existenz über derselben geschwebt und hast dich dabei so frei gefühlt wie ein Vogel?
Ich weiß - ich red Unsinn, aber ich kann mir vorstellen, dass du weißt was ich meine...
*knudDelzZ*
B.S.


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unbekannt
14:10 15.12.2005
yep, genau
soll ich mp3 schicken?
*knuddelzZ*
Babs


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00:37 15.12.2005
@ Lav und Mo
Danke ihrs!

@ PloedeQ
Ist das mit This Mortal Coil? *schäm* Hab ich leider nicht, ich glaub deswegen muss ich noch mal auf dich zukommen...;)
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23:36 14.12.2005
ja und schön geschrieben.. wie immer :)
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unbekannt
23:25 14.12.2005
Ich mag 'Red Rain'....
LG
B.S.


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22:28 14.12.2005
mhh.. schön.. diese Erinnerung :/
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2005-12-14 22:09