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Tagebuch Silence
2016-11-17 22:34
Tobias
Es ist passiert. Ich habe einen meiner ältesten und besten Freunde verloren.
Ich habe erst neulich vom "Action man" geschrieben. Ich verwende normalerweise keine Echtnamen, heute mache ich es mal anders.
Ich hatte vorhin verdammt viel um die Ohren und sah einen Anruf. Jemand aus der Heimat; hat sich bestimmt verwählt; ist ihm schon mal passiert.
Später fiel mein Telefon für einige Zeit aus und als ich es wieder einschaltete, waren da noch ein paar mehr Anrufe in Abwesenheit; und die eine Nummer war nicht eingespeichert, aber erkannte ich sofort. Seit der Kindheit noch gleich.
Ab dann war klar, was geschehen sein musste.
Ich habe also bei seinen Eltern angerufen und sie erzählte mir dann - es war schon sehr traurig - dass er heute verstorben ist.
Das ist heftig. Nicht unerwartet, aber ein seltsames Gefühl wie ich finde. Ich kann es eigentlich nicht glauben.
Ich bin nur erleichtert, dass ich es neulich geschafft habe ihn zu besuchen und ziemlich lange bleiben konnte. Das war fällig; ich wäre sehr unglücklich gewesen hätte ich es nicht geschafft.
Ich habe dann später mit ein paar Freunden telefoniert.
Einer von ihnen hatte nicht ganz so viel Glück. Die letzte Begenung war nicht wirklich harmonisch, er hatte vorgehabt ihn demnächst zu besuchen und darüber zu reden. Zu spät. Es ist aber ok. Es zählen sicherlich nicht die letzten Wochen sondern eben die gemeinsame Zeit. Was eben alles miteinander erlebt wurde.
Bei mir war das sicherlich einiges. Wir waren im gleichen Kindergarten; ich habe seine Krankheiten von Anfang an mitbekommen. Dann die ersten sechs Schuljahre in der gleichen Klasse, die meiste Zeit nebeneinander.
Danach sind wir natürlich befreundet geblieben. Lange lange Zeit.
Was haben wir nicht alles gemacht? Oft beieinander übernachtet. Lange Videospielnächte veranstaltet. Viel geredet. Beispielsweise über Mädels. Und über den Tod. Es war ziemlich früh klar gewesen, dass er nicht jede OP oder Transplantation mitmachen möchte; will heißen er hatte längst schon genug von allem und wir waren fast noch Kinder zu diesem Zeitpunkt.
Trotzallem haben wir auch mal getrunken, geraucht, waren in Amsterdamm; hatten Stress mit heranwachsenden Faschos. Eben das ganze Programm.
Ja; wir sind dann irgendwann andere Wege gegangen, erstmal. Aber ich war dabei gewesen, wie er und unser anderer Freund sich eine WG-Wohnung angeschaut hatten; und später dann tatsächlich den Zuschlag erhielten. Wo praktisch keine bezahlbaren Wohnungen zu kriegen waren. Ich war immer mal wieder dabei wenn dort gefeiert wurde. Habe miterlebt, wie er seine ersten guten Noten geschrieben hatte; daran glaubte alle Schulabschlüsse nachholen und später studieren zu können. Und ich sah, wie es leider scheiterte. Gesundheitsbedingt.
In den letzten Jahren kam dann noch der Krebs dazu. Eine Magen-OP. Keine Mahlzeit ohne Schmerzen.
Immer wenn ich in der Nähe war, und Zeit entbehren konnte, war ich dakam ich zu besuch. Insgesamt nicht oft, ein paar mal im Jahr, aber dann halt richtig. Wir haben über Comics gesprochen. Über Videospiele. Nur nicht mehr über Mädels. Das Thema war wohl durch.
Er hatte auch nie eine Freundin. Abgesehen von so einer Geschichte aus der Kindheit. Leider.

Wir hatten eigentlich geplant, dass er mal zu uns nachhause kommt. Ich wollte ihn in den Comicbuchladen "einladen" zumindest so ein bißchen; und einen der Filme in nem megafetten Kino anschauen. Das war nur logistisch etwas schwierig, wegen der weiten Fahrt. Letztendlich haben wir das mit dem Kino dann, in seiner Nähe gemacht. Das war vor ein paar Monaten. Batman-VS-Superman.
Beim letzten Mal hatten wir schonmal nach weiteren Filmen geschaut um das vielleicht mal wiederholen zu können. Ich war für Wonderwoman gewesen. Es ist jetzt aber egal bzw. zu spät.
Eigentlich dachte ich, er zeigt mir demnächst mal diese Sony VR. Ich kann mit diesem Highend-Konsolen-Schnick-Schnack nichts anfangen, habe mir sowas aber gerne mal zeigen/erzählen lassen.
Wie gesagt: zu spät.
So wie es aussieht versuche ich zur Beerdigung in die Heimat zu fahren. Ein anderer gemeinsamer Freund wohnt von hier aus noch etwas nördlicher. Ich habe auch mit ihm telefoniert und wenn etwas feststeht, fahren wir vielleicht zusammen.
Als ich nachhause kam, wusste meine Frau bereits bescheid. Da kam wohl ein Anruf von meiner Schwester. War ok, dann musste ich es nicht erzählen.
Es ist halt ziemlich traurig. Ich saß einige Zeit später im Zug nachhause und mir wurde halt so richtig klar, dass ich diese Momente nie wieder erleben werde.

Alles in allem: Trotz oder wegen seinen Macken war er ein toller Freund. Und sicherlich wäre alles anders, hätte es ihn in meinem Leben nie gegeben. Und sicher, ich hätte gerne noch viel mehr mit ihm gemacht und vorallem hätte ich ihm einen etwas anderen Verlauf seines Lebens gewünscht. Und trotz allem war er... ziemlich cool drauf!

Ich werde ihn nie vergessen.

Cheerz!

Kommentare

22:03 18.11.2016
Vielen Dank.
Eine große Bereicherung waren sicherlich vorallem die Freunde und Familie, aus der näheren Umgebung. Das ist auch mit das positive an dieser Geschichte. Ich sehe gerade die ganzen Bilder in einer WhatsApp-Gruppe. Viele sind betroffen; ich denke also schon, dass er die Zeit bzw. die Umstände ganz gut nutzen konnte.
Und klar, wir hatten unsere gemeinsame Zeit und die hatten wir auch in den letztne Jahren so gut es eben möglich war aufrecht erhalten.

Shila: Oh je, das tut mir schon sehr leid für dich. Ich hoffe es fühlt sich inzwischen etwas... "besser" an, im Sinne von.... naja, nicht wie in diesen Momenten danach.
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08:47 18.11.2016
So wie sich das anhört, warst du aber auch ganz sicher eine große Bereicherung für sein Leben.
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02:14 18.11.2016
Schon seltsam, dass Kommen wie das Gehen in der großen Menschenfamilie. Wichtig sind die Menschen, die alles am Laufen halten - aber übrig bleiben nur Dinge, ja, und Erinnerungen, bei den Nächsten - oder auch bei Vielen
Und das Leben für alle anderen geht weiter, vorerst ...
Entsprechend immer wieder das eigene Ziel fixieren, das eigene Leben und das des Umfeldes für die (relativ) kurze Zeit so schön und stressfrei wie möglich zu machen
Good luck!
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22:40 17.11.2016
Habe dieses Jahr auch zum ersten Mal einen Freund verloren. Es kam allerdings sehr unerwartet, daher war der Schock sehr groß. Und seltsam fühlt es sich allemal an.
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2016-11-17 22:34