Rückkehr des Lebens
Draussen wird es wohl langsam Sommer. Die Sonne scheint und es ist warm. Die Blätter sehen genauso aus, wie in unserem ersten gemeinsamen Sommer. Kraftvoll grün, lebensfroh. Die Natur scheint, als könne sie es gar nicht mehr erwarten aus allen Knospen zu platzen, die Blüten zu sprengen, das Gras spritzt aus der Erde wie Fontänen. Das Leben kehrt in die Welt zurück.
Er sieht es nicht mehr.

Die Sonne scheint auf sein Grab. Auf sein Grab. Das Grab eines 23-Jährigen. Grab.
Ob er wohl die Erwärmung spürt dort unten. Obwohl es ja egal ist, der leblose Körper verrottet, die kühle Seide saugt ihn auf.

Ich bin so wütend auf ihn. Es gibt so viel zu sehen, zu tun, zu erleben. Ich möchte mir die Stimmbänder aus dem Halse schreien wenn ich Motorradfahrer sehe. Ich möchte mich gen Himmel wenden und schreien bis mir das Blut aus der Kehle spritzt.
Ihn anschreien, brüllen, kreischen.
Aber jedesmal kommt dieser samtene Umhang über mich. Er sagt mir das er es doch so wollte. Das er schliesslich SIE geliebt hat. Zuletzt bei ihr war. Dann hallen die Worte wieder, die andere mir sagten. Er habe sich immer um mich gesorgt, mich immer in Ehren gehalten. Verdammt nochmal, WIR waren was besonderes. WIR waren perfekt. Nur einfach noch nicht so weit. Noch nicht.
Nie mehr.

Gerade der Sommer tut weh. Unsere Zeit. Draussen sein, Nachts auf unserem Parking Bier trinken, laute Musik. Unsere Freunde. Vergangenheit.

Immerwieder das Bild, wie er nun, mit meinem Dicken an der Seite, dort oben steht, mich, uns sieht und lächelt.
An manchen Tagen will ich ihn besuchen. Nachsehen ob es ihm wirklich gut geht. Ihm verschiedene Dinge sagen.
Aber das wäre ein Besuch ohne Rückkehr. Dafür ist es noch zu früh.

Draussen scheint die Sonne. Ich muss und will zurück ins Leben.
Und ich verstehe warum die Welt ihn nicht halten konnte.