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Friday, 29. March 2024
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Tagebuch Schatten
 1919-03-09 hh:mm
Nun rückt die Spartakistengefahr un...

Nun rückt die Spartakistengefahr uns immer näher! In Saarbrücken erwartet man stündlich den Generalstreik der Bergleute und hält diesen, als Signal des allgemeinen Ausbruchs der Unruhe, für sehr gefährlich! Hier fand heute eine gr. Arbeiterversammlung statt, in welcher ein fremder Arbeiterführer sprechen soll! Das ist der Segen der neuen Regierung: Versammlungs- und Redefreiheit! Der Kommandant hat überall einen Erlaß anschlagen lassen, in welchem er droht, bei den geringsten Unruhen sofort jede Lebensmittel-Unterstützung einzustellen und da wir bereits Speck und Reis erhielten, wird dies hoffentlich den elenden Mob zurückhalten. Die Kolonialtruppen sind andauernd alarmbereit, gehen mit Seitengewehr und Revolvern, Patroulieren zu 5 Mann, in den Straßen umher. Ich gehe gar nicht mehr in die Stadt, es ist zu unheimlich, die Gruppen müßig gehender Jünglinge frech, rauchend und schwatzend dastehen zu sehen – man fühlt sich nicht sicher! Wer weiß, was uns noch bevorsteht; im ganzen Reich wird täglich die Unruhe größer! Nachdem die rechtsrheinischen Spartakisten von den Regierungstruppen niedergezwungen waren, begann man auf Ruhe zu hoffen! Da brachen vom 4. – 7.- d.M. in Berlin auf´s Neue die entsetzlichen Spartakistenkämpe aus! Regierungstruppen haben nun das von den Aufrührern „eroberte“ Polizeipräsidium zurückgenommen und es scheint momentan besser. Doch niemand glaubt an dauernde Ruhe! Die Aufrührer sind mit der Regierung Ebert-Scheidemann nicht zufrieden, da dieselbe ihnen nicht rasch genug ihre maßlosen Wünsche erfüllt. Die Sozialdemokraten sind untereinander entzweit, Ebert wird wohl nicht Präsident bleiben! Gott erbarme sich unseres armen Volkes! Man sollte nicht glauben, daß dieser halb wahnsinnige Pöbel, das früher so treu geachtete deutsche Volk sei! Wie ein wüster Traum erscheint dem verständigen Menschen diese schreckliche Zeit seit dem 9. Nov. 18 – vier Monate der neuen Regierung, welche das Land immer tiefer in`s Verderben stürzten, Milliarden verschleuderten und nichts erreichten. Die ganzen Verhältnisse sind unhaltbar, man erwartet allgemein den Staatsbankerott.---
Dazu kommen noch die namenlosen Forderungen der Entente, Mitte dieses Monats sollen die Friedensbedingungen erscheinen. Was man bis jetzt hört ist so grauenhaft, daß man schaudert und wir stehen machtlos diesen Henkern gegenüber, weil das eigene betörte Volk unser Heer zerstörte, und uns damit das einzige Rettungsmittel nahm! ---

Nun erwarten wir zu Allem noch, daß Merzig französich wird, man sagt, Frankreich verlange den Rhein als Grenze und beanspruche den linksrheinischen Teil der Rheinprovinz! Also sitzen wir , viel schlimmer als in der Kriegszeit in tausend Nöten, sehen im Geiste unser ehrlich erworbenes Vermögen verloren, Rudolfs Zukunft zerstört, unser Alter in Armut verbracht. —

Viele alte Leute sterben, der Jammer ist unerträglich! Wer hätte jemals einen solch tiefen Fall des großen Deutschen Reichs vermutet!! ---

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