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Tagebuch Schatten
 1919-02-28 hh:mm
Die Unruhe und die Sorgen werden immer größer!

(29.02.1919)

Die Unruhe und die Sorgen werden immer größer! Gestern wurde auch der bayrische Präsident Eisner, ein Roter erster Sorte, erschossen – vorgestern fand in Paris ein Attentat auf Clemenceau statt, welcher nur unbedeutend verletzt wurde! Niemand kann sich in diesen schrecklichen Zeiten sicher fühlen! Ich fürchte mich, durch dieses traurige Merzig zu gehen. Das Volk sieht einen so frech an, als hätte man ihm etwas getan, -- die Jugend ist so frech und ungezogen, man muß jederzeit gewärtig sein, angegriffen zu werden. Die hiesige Spartakus-Partei soll im steten Wachsen begriffen sein und eine Liste von 25 Personen besitzen, welche sie „beseitigen“  wollen, so bald die Franzosen hier fort sind. Es ist ein eigentümliches Faktum, daß unsere Feinde uns „beschützen“ müssen, vor dem Wahnsinn des eigenen Volkes!

In Rheinland-Westfalen macht die Spartakusbewegung beständige Fortschritte. Von Düsseldorf bis Wesel herrschen schreckliche Zustände: Raub, Mord, Plünderung sind an der Tagesordnung, die Banken werden gesprengt und ausgeraubt und täglich kostet der Kampf weitere Menschenleben!! Das sind die Leute, die unser armes Volk „ befreien“ wollten! Hätten wir nur ein Heer, überall erschallt der Ruf nach Soldaten! Welch ein Wahnsinn war es, das tapfere Heer zu vernichten und aufzulösen! Sollte man nicht denken, dem verblendeten Volk müßten endlich die Augen aufgehen und es müßte erkennen, wie es sich hat blenden und verhetzen lassen – aber nein, täglich wird die Masse bösartiger und frecher! Niemand kann sagen, wie dies enden soll – jedenfalls stehen wir vor bösen Zeiten! Die schon lange vorausgesagte Zeit der Hungersnot rückt immer näher! Schon wird Fleisch und Butter knapper, die Preise sind unerschwinglich hoch! Der Zentner Kartoffel kostet 34 M! (Ich habe seit April vor. Jahres kein Dienstmädchen, sondern nur eine Stundenhilfe,( da wir tatsächlich nicht genug Nahrung für sie hätten). ---Trotz alledem sind allabendlich die Kino`s überfüllt, ebenso die Konditoreien --- das Volk lebt fein, wo das Geld herkommt, ob es gestohlen oder „verdient“  ist --- das ist einerlei! Eine der merkwürdigsten Blüten dieser Zeit ist die Arbeitslosen-Versicherung! Die Landwirte, Bauhandwerker etc. suchen vergeblich Arbeiter; niemand will arbeiten --- man geht zur Arbeitslosenversicherung, meldet sich und erhält für jeden Tag ohne Arbeit 3 – 4 Mark. Ein junger Mann, der seit Wochen faulenzt und Zigaretten rauchend, in der Stadt spazieren geht, erzählte triumphierend, er habe für 70 Tage „Entschädigung“ erhalten und zeigte über 200 M! --- Wo kommen diese Gelder her?? Niemand weiß es! Die neue Regierung Ebert hat schon mehrere Milliarden verausgabt! Wer bezahlt dies Alles? Wie soll das enden? Ein Teil des Volkes kommt doch nach und nach zu der Erkenntis, daß der Weg der Revolution ein verfehlter war!
Gott helfe unserem armen Volke!

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