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Friday, 19. April 2024
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Tagebuch Schatten
 1918-12-08 hh:mm
Die frz. Soldaten, welche noch hier sind, sind alle kriegsmüde

Ein trüber Regensonntag! Es sollte wie alljährlich hier Kirmeß sein, doch hat der franz. Kommandant plötzlich Alles verboten! Die schon aufgestellten Karussels etc. müssen wieder einpacken! Es ist ein Zeichen der leichtsinnigen Bevölkerung der Rheinprovinz, daß in dieser Zeit höchster Not nur ein Mensch an Festlichkeiten denken kann! Dieses Volk ist blind und taub, wenn es sein “Pläsier“ gilt. Wahrscheinlich hat der Kommandant Unruhen befürchtet. –
Unser franz. Offizier hat uns gestern verlassen, er verabschiedete sich, aufs höflichste dankend und gab mir, als ich ihn wegen der Gefangenen  befragte, bereitwillig Auskunft: Ich solle ganz beruhigt sein, dieselben würden gut behandelt und ernährt! Er tröstete mich in einer liebenswürdigen Weise! Wollte Gott, daß Viele solcher Franzosen in der Friedens-Kommission wären, denn dieser Franzose versicherte mir, daß die Masse des französischen Volkes keinen Krieg wolle u. gerne Frieden schließe! Die frz. Soldaten, welche noch hier sind, sind alle kriegsmüde, viele sind bereits ohne Erlaubnis nach Frankreich zurückgegangen. Andere sagen in den Wirtschaften: „Deutsche heim, wir auch heim, nix Krieg“ und schütteln den Deutschen die Hand.-
Aber es gibt auch unangenehme Menschen, vor Allem ist der Kommandant ein scheußlicher, racheerfüllter alter Mann, der täglich neue Quälereien an der wehrlosen Einwohnerschaft ausübt. Es wird erzählt, daß deutsche Soldaten seine Frau und  Kind in Cambrai aus den Betten gejagt und sich in diese Zimmer einquartiert hätten – nun müssen wir Unschuldigen für die Roheit einiger Soldaten büßen! – Wie es werden soll, wenn diese entsetzlichen Friedensbedingungen durchgehen, das wagt niemand zu denken! Man darf nicht reisen, da alle Bahnwagen zur Lebensmittelbeförderung dienen müssen. Das Gespenst der Hungersnot erhebt sich immer drohender vor unseren Augen! Keine Kohlen sind mehr zu haben, Alles geht nach Frankreich! Hätte das Heer bis jetzt ausgehalten und wäre diese unselige Revolution  nicht gerade in diesen kritischen Tagen ausgebrochen – so könnten wir jetzt Siegesfeste feiern und Gott danken, denn die Franzosen erzählen selbst, daß sie Anfang Dezember aus Kohlenmangel (und infolgedessen Munitionsmangel) hätten Frieden schließen müssen!! So stürzte unser verblendetes Volk sich selbst in dieses große Elend hinein! -

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