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Tagebuch Schalk
2005-09-05 16:18
Klar gesehen
hat mal ein Journalist, ohne Populismus wie sonst bei der meinungsmache.

Diesen herzerfrischenden Artikel fand ich heute Morgen im KstA.
Er könnte von mir stammen.


Überraschender Mut zur Kritik

Wie geht's eigentlich den Menschen im Allgäu? Tagelang dominierten die Bilder vom Hochwasser im Alpenraum das Programm der Nachrichtensender. Gestiefelte Reporter standen im Wasser, sprachen mal wieder von der „Jahrhundertflut“ und waren dann doch ebenso schnell wieder weg wie die Sturzbäche auf den Straßen.
Manche von ihnen, wie etwa N24-Reporterin Katrin Sandmann, jetteten direkt vom Regen in die Traufe. Seit knapp einer Woche steht sie nun in New Orleans in der braunen Brühe und soll praktisch alle 15 Minuten in Schalten brisante Neuigkeiten und Erklärungen absondern. Womit sie sich wie ihre Kollegen aller anderen Sender überaus schwer tut.
Als „Katrina“ vor einer Woche über die Südstaaten der USA hinwegfegte, sah alles noch nach sportivem Journalismus aus. Man sah tollkühne Reporter, die in bunten Regenjacken mit den Logos ihrer Arbeitgeber dem tobenden Sturm trotzten. Dass die Katastrophe erst kam, als sie eigentlich vorbei zu sein schien, stellte auch die Fernsehleute merklich vor Probleme. Es dauerte ein paar Tage, bis die Heliokopter-Bilder von durch den Hurrikan verwüsteten Landstrichen den Bildern vom Elend der Menschen in der Innenstadt von New Orleans wichen. Bilder, die Zuschauer wie Journalisten sprachlos machten. Hätte sich das Ganze in Bangladesh zugetragen, wäre um Erklärungen keiner verlegen gewesen. Aber dass das mächtigste Land der Welt, und noch immer eines der reichsten dazu, das mit Expeditionen zum Mars liebäugelt und sich rund um den Globus als Weltpolizei geriert, nicht in der Lage sein sollte, mit einer solchen Naturkatastrophe fertig zu werden, ließen dieses Bilder geradezu surreal anmuten.
Vom Zorn der Betroffenen befeuert wurde der Ton der CNN-Reporter am Freitag immer geladener - man gerierte sich geradezu als Ventil der kochenden Volksseele. So aggressiv und kritisch hat man CNN-Reporter noch nie gesehen. Für gewöhnlich liefern sie bei ihren Interviews nur Stichworte für Selbstdarstellungen und Politiker-Erklärungen an die Öffentlichkeit. Zu dumm nur, dass die Angriffe des Bürgermeisters von New Orleans, Ray Nagin, auf Präsident Busch („I'm pissed!“) am Freitag im Radio stattfand und die O-Töne mit einem antiken Spulen-Tonband bebildert werden mussten.
Surreal blieb die Szenerie auch noch, als Experten vom Meteorologen bis zum Traumaforscher ihre Erklärungsversuche abgaben. Vom Treibhauseffekt als eine mögliche Ursache der enormen Kraft des Sturms war allerdings keine Rede. Die Katastrophenbilder - wie bei n-tv - in Zeitlupe abzufahren und Musik zu unterlegen, ist natürlich blanker Zynismus.
Nur wenige Reporter wie die der ARD-Tagesthemen machten beim Bush-Besuch vor Ort darauf aufmerksam, dass die so demonstrativ ins Bild gesetzten Katastrophenhelfer lediglich die Besuchsstrecke des Präsidenten durchkämmten und mit ihm gemeinsam wieder abzogen. Immerhin wagte CNN daraufhinzuweisen, dass es sich beim Katastrophen-Besuch Bushs ganz offensichtlich um eine PR-Aktion handelt. Bush umarmt Überlebende vor laufender Kamera. Danach jedoch werden wieder die zornigen Statements der Bürgerechtsbewegung eingespielt, die Bush und dem reichen amerikanischen Establishment vorwirft, das arme, farbige Amerika im Stich zu lassen („Shame on you, America!“).
Seit Sonntag, seitdem die Hilfe der Regierung endlich in der Region massiv einzutreffen scheint, erzählen die Reporter nun die Geschichten der Überlebenden und liefern Zahlen zu den geleisteten Hilfsgütern und Maßnahmen. Jetzt vermitteln die Bilder eine Dynamik, die schon wieder merkwürdig beschwichtigend anmutet. Von Kritik an der Bush-Regierung ist jetzt keine Rede mehr.
So schnell wie in den Alpen wird das Wasser in New Orleans nicht abfließen. Aber auch dieses Horror-Szenario hat sein mediales Verfallsdatum. Bei ARD und ZDF schien es bereits am Samstag gekommen. Anders als an den Vortagen verzichtete man auf abendliche Sondersendungen. Die Katastrophe, die gegen volkstümelnde Musi (ARD) und Fußball (ZDF) ankäme, steht noch aus.

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2005-09-05 16:18