Engagement
Letztendlich war es doch eine gute Idee heute in den Chor zu gehen.

Normalerweise machen mich diverse Eigenarten der "alten Garde", die mein Vater so allmählich zum Abtreten bringen will, ziemlich wahnsinnig.
Man kann sich z.B. nicht auf jeden beliebigen freien Platz setzen, weil die älteren Damen eine eigene Sitzordnung haben, auf die sie aus unerfindlichen Gründen Ansprüche anmelden.
Außerdem kommentieren sie ihren eigenen Gesang unmittelbar laut und gackernd, sobald sie ihre letzte Note gesungen haben - ob das Lied nun schon vorbei ist oder nicht.

Aber....heute war es das wert.

Letzten November hab ich doch über dieses Konzert geschrieben. Die Uraufführung einer Filmmusikmesse, die der Dirigent aus Papas Chor selbst komponiert hat.
Eine CD davon hat nun irgendwie ihren Weg in die Hände irgendeines großen Firmenbosses gefunden.
Dieser Firmenboss wiederum ist Mitglied eines Gremiums in Berlin, das irgendein großes Primborium anlässlich des Jubiläums irgendeines Heiligen veranstaltet.
Und dieser Firmenboss will Papas Chor dort haben.

Wir bekommen ein richtiges Rundum-Wohlfühl-Paket. Wahlweise Flug oder ICE nach Berlin, Hotel, Standrundfahrt und großes Festbankett am Abend des Konzerts.
Außerdem kriegen wir ein riesiges Symphonieorchester mit allem drum und dran. Jeder Musiker kann mit so rund 2000 Euro Gage rechnen.
Und das ganze wird im Fernsehen übertragen.
5000 CDs des Live-Auftritts werden gemacht...es ist der helle Wahnsinn.
Die wollen Papas kleinen, grade erst ein bisschen aufpolierten, Provinz-Kirchenchor in Berlin haben...

Dieser junge Dirigent war sowieso ein Glücksgriff.
Der ist ein Genie...ganz ehrlich.
Demnächst ist er als Tontechniker bei einem Musical in Gießen engagiert. Papa will ihn fragen, ob er mich da irgendwie als Assistentin oder sowas unterjubeln kann, damit ich hinter die Kulissen schauen kann.

Wer hätte gedacht, dass sich mir solche Möglichkeiten durch Papas Chörchen eröffnen würden, in das ich mehr oder minder nur aus Pflichtgefühl gekommen bin....