Alte Ängste
Eigentlich hatte ich gehofft, ich hätte das hinter mir.
Ich hatte vor gehabt mit dem Studium ein neues Kapitel anzufangen und den ganzen alten Mist hinter mir zu lassen.
Und jetzt holt mich alles doch wieder ein.
Blöder Mist.

Es sind immer ganz normale, vollkommen triviale Situationen. Oder Träume.
Die Träume sind nicht so schlimm. Danach wacht man auf und ist einfach nur ein bisschen desorientiert. Und irgendwann geht das.
Aber diese Momente....

Gestern war ich mit meiner Mitbewohnerin in so nem englischen Kinofilm an der Uni.
Der Film war nichts Besonderes. Ein Nachkriegsfilm...schwarz-weiß. Hyper-pathetisch.
Aber dieser eine Kerl....mein Gott...dieser Kerl.
Ein kleiner, kräftiger Soldat. Diese untrainierten Oberarme , das Unterhemd...der kleine, breite Hals. Die ganze Erscheinung wie ein PitBull. Und ein Milchbubigesicht.
Die Haare irgendwie am Kopf angegelt. Spärlicher Bartwuchs.
Genau wie er....meine Güte....er sah ihm so ähnlich.

In dieser einen Szene....als er wegen einer Nichtigkeit wütend war auf seine Freundin...schlug er ihr in den Bauch. Dabei riss er seine kleinen gemeinen Glubschaugen auf um sie einzuschüchtern mit seiner möchtegern-männlichen Erscheinung.
Wie ein Junge der ein Mann sein will...nur mit mehr Kraft.

Es war genau wie damals.
Es war genau so....wie er es mit mir gemacht hat.
Dieser Typ...mit dem ich mal zusammen war.
Zusammen war ich mit ihm etwa zwei Wochen....danach war ich seine Gefangene.

Es war wie ein Alptraum. Die ganze Zeit.
Schläge...Vergewaltigungen....Erniedrigungen.
Und ich habe geglaubt ich habe ihn geliebt.
Dabei....hatte ich nur Angst.

Danach...kamen die Panikattacken. Schlimme...Panikattacken.
Und es dauerte Ewigkeiten, bis ich geglaubt hatte, sie seien weg für immer.
Und dann gestern. In diesem Film.
Da kam alles wieder hoch. Die Panik von damals. Die Bilder. Der Hass.
Dieser blinde Hass.
Dieser Schrei nach Rache.

Es stellt meinen Körper auf den Kopf. Ich zittere, schwitze..glaube Ohnmächtig zu werden. Und ich möchte ausbrechen...wegrennen. Einfach rennen. Und schreien. Raus hier.

Gestern konnte ich lange nicht einschlafen. Mein Herz klopfte wie verrückt.
Mir fiel ein.....dass ich wohl noch nie in meinem Leben geliebt habe. Niemals.
Ihn habe ich gefürchtet.
Davor waren nur frühpubertäre Geplänkel.
Und danach.....nichts.
Nichts.
Und es ist jetzt zwei Jahre her.
Ich war nicht verliebt...und niemand hat mich geliebt. Ich habe nicht geliebt.
Es war nichts.

Ich frage mich ob ich noch lieben kann.
Ich glaube nicht.

In mir ist nur die Erinnerung an damals. Und damit verbunden dieser Hass. Ich hasse ihn aus meiner tiefsten Seele.
Ich würde so gerne sagen "Ich hasse nicht"...es gibt keinen Grund zu hassen.
Aber ich tue es.
Ich hasse ihn so sehr.
Und dieser Hass auf ihn...unterdrückt alle anderen Empfindungen.
Ich empfinde Zuneigung...Sympathie...aber niemals. Niemals Liebe.
Ich liebe....meine Familie. Ja.
Aber einen Mann?
Das nicht.

Ich möchte nicht alleine bleiben...und nichts tun als ab und zu von Panikattacken dahingestreckt werden und über meinem Hass brüten.

Wann.....lässt er mich endlich frei...